Lieben lernen
„Geliebte, wenn Gott uns so geliebt bat, so sind auch wir schuldig, einander zu lieben“ (1. Joh. 4,11).
Die große Aufgabe eines Christuslebens besteht darin, lieben zu lernen. Das Leben mit seinen mancherlei Erfahrungen gibt uns immer wieder Gelegenheit dazu. Das Lernziel steht deutlich vor uns: „Du sollst lieben“, und „... das gebiete ich euch, dass ihr einander liebet.“ Es kommt nur darauf an, diese Lektion zu lernen.
Wir sind nicht auf der Welt, um reich zu werden, Macht zu bekommen, uns in Künsten und Wissenschaften zu bilden, ein großes Unternehmen aufzubauen oder auf alle erdenkliche Weise große Leistungen zu vollbringen. Wir sind auch nicht hier, um in unserer täglichen Arbeit, unserem Geschäft, in der Schule oder zu Hause voranzukommen.
Wir sind nicht hier, um das Evangelium zu predigen, Traurige zu trösten, Kranke zu besuchen und Werke der Barmherzigkeit auszuüben. All dies kann auch zu unserem Aufgabenkreis gehören und unsere Hände füllen. Aber bei allem, womit wir uns beschäftigen, ist unsere eigentliche Aufgabe, nach der wir immer streben müssen, das Werk, das all unseren Erfahrungen vorangehen muss, wenn wir überhaupt den wahren Sinn des Lebens erfassen wollen: Lieben zu lernen und in unserem Wesen in der Liebe zu wachsen (Eph. 4,15).
Wir mögen die schönsten Künste dieses Lebens erlernen — Musik, Malerei, Bildhauerei, Dichtkunst —, uns ein umfangreiches Wissen aneignen oder durch Lesen, Studieren, Reisen und Umgang mit gebildeten Menschen eine hohe Bildung und Lebenskultur erreichen. Wenn wir jedoch bei alldem keine Liebe lernen und in unserem Wesen und äußerem Verhalten nicht freundlicher und gütiger werden, haben wir den Sinn des Lebens verpasst.
Wenn wir inmitten unserer Alltagspflichten, Sorgen, Anfechtungen, Freuden und Kümmernisse nicht Tag für Tag an Liebenswürdigkeit, Selbstlosigkeit, Rücksichtnahme und allen anderen Äußerungen der Liebe zunehmen, lernen wir nicht die große und wichtige Lektion, die uns der Meister in der Schule des Lebens aufgegeben hat.
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