2020-04-06

Der sterbende Lehrer – Römer 1,16

Seit der ersten Nacht, in der ich Jesus Christus in einem Laden in Bosten getroffen habe, habe ich Ihn nie wieder aus den Augen verloren. Doch jahrelang war ich nichts als ein gewöhnlicher Christ gewesen und glaubte in Wirklichkeit, dass ich nicht für Gott arbeiten könnte. Niemand hatte mich je gebeten, etwas zu tun.

Ich ging nach Chicago, mietete fünf Kirchenbänke an, und pflegte auf die Straßen zu gehen, um junge Männer einzusammeln, die diese Bänke füllen sollten. Ich sprach zu diesen jungen Männern nie über ihre Seelen - dies war, wie ich meinte, die Aufgabe der Älteren.

Nachdem ich eine Zeit lang so garbeitet hatte, began ich eine evangelistische Kinderstunde. Ich dachte, Zahlen währen alles, also strebte ich nach hohen Beuscherzahlen. Wenn die Zahl der Zuhörer unter tausend ging, begann ich besorgt zu werden; und wenn sie zwölf- bis dreizehnhundert erreichte, war ich ermutigt. Doch noch immer hatte sich niemand bekehrt, es gab keine Ernte. Dann öffnete Gott mir die Augen.

In der Sonntagsschule gab es eine Klasse junger Mädchen, die ausnahmslos die albernsten Mädchen waren, denen ich je begegnet war. Eines Sonntags war der Lehrer krank und ich übernahm die Klasse. Sie lachten mir ins Gesicht, und ich hätte am liebsten die Tür geöffnet und ihen gesagt, dass sie allesamt gehen und nie mehr wiederkommen sollten. In dieser Woche kam der Lehrer der Klasse an meine Arbeitsstelle. Er war blass und sah sehr krank aus. "Was ist los?", fragte ich. "Ich hatte eine weitere Lungenblutung. Der Arzt sagt, dass ich am Michigansee nicht leben kann, deshalb gehe ich nach New York State. Ich denke, ich werde zum Sterben nach Hause gehen."

Er schien ernstlich besorgt, und als ich ihn nach dem Grund fragte, antwortete er: "Nun ja, ich habe nie eine meiner Klassen zu Christus geführt. Ich denke wirklich, dass ich den Mädchen mehr geschadet habe, als ihnen Gutes zu tun." Ich hatte seither niemanden so reden hören, und es brachte mich zum Nachdenken. Nach einer Weile sagte ich: "Ich nehme an, du wirst hingehen und ihnen sagen, wie du dich fühlst. Ich werde mitfahren, wenn du gehen willst."

Er stimmte zu, und wir fuhren zusammen los. Es war eine der besten Reisen, die ich je auf der Erde angetreten habe. Wir gingen zum Haus eines der Mädchen, ließen sie rufen, und der Lehrer sprach mit ihr über ihre Seele. Diesmal lachte sie nicht! Schon bald traten ihr Tränen in die Augen.

Nachdem er den Weg zum Leben erklärt hatte, schlug er vor zu beten. Er bat mich, zu beten. Wahrlich, ich hatte so etwas bisher nie in meinem Leben getan, Gott zu bitten, ein junges Mädchen hier und jetzt zu bekehren. Aber wir beteten, und Gott erhörte unser Gebet.

Wir besuchten auch andere Häuser. Er ging Treppen hinauf, war völlig außer Atem, und sagte den Mädchen, warum er gekommen war. Es dauerte nicht lange, bis sie zusammenbrachen und Rettung suchten. Als seine Kraft aufgebraucht war, brachte ich ihn zurück zu seiner Unterkunft. Am nächsten Tag fuhren wir wieder los.

Am Ende von zehn Tagen kam er in den Laden, buchstäblich mit einem leuchtenden Angesicht. "Mr. Moody", sagte er, "die Letzte aus meiner Klasse hat sich Christus übergeben." Ich sagte euch, wir hatten eine Zeit großer Freude. Am nächsten Abend musste er aufbrechen, also rief ich an diesem Abend seine Klasse zu einer Gebetsversammlung zusammen, und dort entzündete Gott ein Feuer in meiner Seele, das seither nicht erloschen ist.

Mein höchstes Ziel war es gewesen, ein erfolgreicher Kaufmann zu sein, und wenn ich gewusst hätte, dass diese Versammlung mir dieses Ziel nehmen würde, wäre ich wahrscheinlich nicht hingegangen. Doch wie oft habe ich Gott seither für diese Versammlung gedankt!

Der sterbende Lehrer saß in der Mitte seiner Klasse, redete zu ihnen und las ihnen Johannes 14 vor. Wir versuchten "Blest be the tie that binds" zu singen, danach knieten wir alle zum Gebet nieder. Gerade stand ich wieder auf, als eine aus der Klasse anfing, für ihren sterbenden Lehrer zu beten. Noch jemand betete, und noch jemand, und bevor wir aufstanden, hatte die gesamte Klasse gebetet. Als ich hinausging, sagte ich zu mir selbst: "O Gott, lass mich lieber sterben als den Segen zu verlieren, den ich heute Abend empfangen habe!"

Am nächsten Morgen ging ich zum Bahnhof, um diesem Lehrer auf Wiedersehen zu sagen. Gerade bevor der Zug sich in Bewegung setzte, kam eine aus der Klasse, und es dauerte nicht lange, da waren sie ohne irgendeine Vorbereitung alle da. Was war das für ein Treffen! Wir versuchten zu singen, aber unsere Stimmen versagten. Das letzte, was wir von diesem sterbenden Lerher sahen, war, wie er mit zum Himmel deutendem Finger auf dem Trittbrett des Waggons stand und dieser Klasse sagte, dass sie ihn im Himmel wiedersehen würde.

Ich wusste nicht, was mich dies kosten würde. Ich war unbrauchbar für das Geschäft; es hatte für mich den Reiz verloren. Ich hatte eine andere Welt geschmeckt, und interessierte mich nicht mehr dafür, Geld zu verdienen. Denn einige Tage danach fand der größte Kampf meines Lebens statt. Sollte ich mein Geschäft aufgeben und mich dem christlichen Werk hingeben oder nicht? Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Oh, der Luxus, jemanden aus der Finsternis dieser Welt in das herrliche Licht und die Freiheit des Evangeliums zu führen!


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