2021-05-01

Bakht Singh: Ein auserwähltes Werkzeug Gottes in Indien

Als Bakht Singh am 6. April 1933 in Bombay ankam, empfingen ihn seine Eltern mit Freudentränen. Doch schon bald verwandelten sich die Freudentränen in Tränen des Schmerzes und Kummers. Sein Vater nahm ihn nach der freudigen Begrüßung beiseite und sagte ihm, soweit es ihn betreffe, hätte er nichts dagegen, dass Bakht Singh ein Christ geworden war, denn er war alt genug, um sich für eine Religion zu entscheiden. Er hätte nur eine Bitte: dass er bei ihnen in seiner Heimatstadt Sargodha seinen Glauben an Jesus Christus geheim halten solle. Darauf antwortete Bakht Singh, dass der Herr Jesus Christus sein Leben sei. Er könne nicht leben, wenn er ihn verleugne, genauso wenig, wie er leben könne, wenn er sich die Nase zuhielte. Er sagte, dass der Herr Jesus Christus sein wahrer Lebensatem sei und dass er sein Leben seinem Dienst geweiht hatte. Sein Vater war sichtbar schockiert, als er hörte, dass sein Sohn nicht nur ein Nachfolger Christi, sondern auch ein Prediger geworden war.

Als der Vater sich gefasst hatte, sagte er zu Bakht Singh, er solle wenigstens für eine kurze Zeit erst einmal eine gut bezahlte Stellung annehmen, damit die Menschen sehen, was für ein großes Opfer er bringt, um seinem Herrn zu dienen. Außerdem hielt er ihm vor, dass er in ihn als seinen ältesten Sohn viel Geld für sein Studium investiert hatte. Er solle eine Arbeit annehmen, um seine Brüder und Schwestern unterstützen zu können, die noch studierten. Durch die schon erwähnte Gerichtssache hatte sein Vater den größten Teil seines Vermögens verloren, und die Familie war durch große finanzielle Schwierigkeiten gegangen. Doch Bakht Singh sagte ihm, dass es mehr bedeuten würde als die ganze Welt, wenn wegen seines Ungehorsams gegenüber dem Herrn auch nur eine Seele verloren ginge. Er versicherte seinem Vater, dass der Herr für die Eltern sorgen und die Bedürfnisse seiner Geschwister erfüllen würde. Durch Gottes Gnade konnten seine Brüder und Schwestern ihr Studium abschließen und gute Anstellungen finden. So ehrte der Herr Bakht Singhs Glauben und erhörte seine Gebete für seine Eltern und Geschwister.

Als sein Vater sah, dass Bakht Singh sich nicht von seinem Entschluss abbringen ließ, teilte er ihm mit, dass er nicht mit nach Hause kommen könne, obwohl er ungefähr sieben Jahre lang weg gewesen war. Um seinem Vater seinen Respekt zu erweisen, gab er ihm das ganze Geld, das er besaß, und behielt nichts für seinen Lebensunterhalt. Ehe die betrübten Eltern im Victoria-Bahnhof in Bombay in den Zug nach Sargodha stiegen, flehte ihn seine Mutter unter Tränen an: »Mein Sohn, ehe du geboren wurdest, habe ich viel gebetet und viele Tränen vergossen. Ich habe dich mit großer Erwartung geboren. Kannst du nicht bitte um meinetwillen wenigstens eine Zeit lang deinen Glauben geheim halten, während du bei uns bist? Ich bitte dich darum«, flehte sie ihn an. Bakht Singh weinte auch und sagte: »Mutter, ich liebe dich sehr, aber wie könnte ich meinen Herrn verleugnen, der für mich sein Leben gab?«

Die Worte des Sadhus, der ihr vor seiner Geburt sagte, sie würde einen Sohn bekommen, aber er würde nicht bei ihr bleiben, drangen durch ihr Herz. Diese Voraussage traf jetzt ein, und sie konnte es nicht ertragen. Es war ein sehr schmerzhafter Abschied für die Eltern und ihren Sohn. Während sie ihn anflehten, seinen Glauben an Christus wenigstens eine Zeit lang geheim zu halten, erinnerte sich Bakht Singh an die Worte: »Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden« (Mt 10,37-39). »Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein; und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein« (Lk 14,26.27).

Da Bakht Singhs Entschluss fest war und er sich weigerte, auf die Bitten seiner Eltern hin seinen Glauben eine Zeit lang geheim zu halten, wenn er mit ihnen käme, demütigte sich sein gebrochener Vater, indem er seinen Turban abnahm und ihn seinem Sohn zu Füßen legte und ihn anflehte, doch seine Meinung zu ändern. Das war ein sehr demütigender Akt, besonders für einen Vater, der zu allem bereit war, um seinen Sohn für sich zu gewinnen. Bis zu dieser Zeit wussten nur Bakht Singhs Eltern von seiner Bekehrung zu Christus. Sie hatten mit niemandem darüber gesprochen, weil die Annahme des Christentums für wohlhabende, hochkastige Hindus, Sikhs und andere Inder einen Verlust an Prestige bedeutete. Viele Inder meinen auch heute noch, dass das Christentum vornehmlich eine »weiße« Religion ist, und dass Niedrigkastige nur um des gesellschaftlichen und materiellen Vorteils willen Christen werden. Manche denken sogar, man könne nicht gleichzeitig Christ und Inder sein. Deshalb hat auch nach zweihundertjähriger Missionsarbeit das Christentum noch keinen nennenswerten Einfluss auf die indische Gesellschaft gehabt.

Als der Zug seinen Augen entschwand, wischte sich Bakht Singh die Tränen aus den Augen und bat den Herrn um Führung. Von den Eltern verlassen, ohne einen Cent in der Tasche, hilflos - und doch nicht ohne Hoffnung - schaute er auf zu dem Herrn des Himmels und erinnerte sich an die Worte: »Wenn mein Vater und meine Mutter mich verlassen, so nimmt der Herr mich auf!« (Psalm 27,10). Als er jetzt auf den Herrn harrte, erinnerte er sich an die Worte des Herrn, die er in Vancouver vernommen hatte: »Mache niemals eigene Pläne, sondern vertraue Tag für Tag meiner Führung. Rede zu niemandem über deine materiellen oder finanziellen Bedürfnisse, weder durch einen Brief noch durch einen Wink. Sage es nur mir!« Der Herr, der treu ist und seinen Bund hält, führte ihn für die erste Nacht in Bombay zu einem Obdachlosenheim. Dort konnte er eine Woche lang umsonst wohnen.


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