Innerlich bewegt (3)
Woher bekommen wir die Weisheit, die wir für den Verkehr mit den Menschen brauchen, unter denen wir leben wie inmitten von Wölfen? Es ist auch heute noch so: Nicht wir sind die Redenden, sondern der Geist des Vaters, der in uns wohnt. Wir brauchen uns daher nicht zu fürchten vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen. Nur der ist zu fürchten, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle (vgl. Mt 10,1-32).
Mögen wir uns daher wohl fragen, ob der Herr nicht einen Ruf für uns hat! Wenn uns klar geworden ist, vielleicht nach Rücksprache mit dem einen und anderen vertrauenswürdigen Bruder, dass der Herr uns ruft, dann lasst uns nicht länger mit Fleisch und Blut zurate gehen, sondern im Glauben alles preisgeben, um Ihm zu dienen, der alles, auch Sich selbst, für uns preisgegeben hat! Dem einfältigen Gebet antwortet der Herr. Den einfältig Fragenden lässt Er nicht im Unklaren, wenn Er auch vielleicht hier und da einmal sagen muss: Warte noch!
Schließlich können wir unserem Herrn auch noch in der Weise folgen, dass wir, was wir auch sein mögen, in unserer Umgebung Zeugnis ablegen von dem, was wir besitzen, und die Retterhand jedem reichen, der sie nur nehmen mag. Wie steht es damit? Reden wir mit unseren Nachbarn über den Herrn Jesus? Legen wir an unseren Arbeitsstätten Zeugnis von Ihm ab? Merken die Leute unserer Umgebung etwas davon, dass wir Christen sind? Denken wir je daran, Traktate oder dergleichen zu verteilen? Liegt uns die Ausbreitung der Bibel am Herzen?
Vergessen wir nicht: Das Unglück der Ungläubigen besteht nicht nur darin, dass sie verloren gehen; auch für dieses Leben fehlt ihnen die rechte Führung und das wahre Glück. Sie haben ja keinen Hirten. Jesus aber möchte ihnen Führer und alles sein, Er, der Seine Herde auf grüne Auen und an stille Wasser führt, der die Seele erquickt, dessen Stecken und Stab allezeit trösten, und der die Seinen leitet in Pfaden der Gerechtigkeit. Sollten wir nicht begehren, andere mit diesem guten Hirten zusammenzubringen? Aber weiter.
Reden wir wohl mit anderen Gläubigen, mit denen Gott uns zusammenführt, über die großen Wahrheiten, die uns selbst kostbar geworden sind? Sicher tun wir gut daran, das zu reden, was uns eint. Aber will das sagen, dass wir über das, was wir selbst als herrliche Wahrheit besitzen, anderen gegenüber schweigen sollen? Gewiss müssen wir uns vor Wortgefechten und Streitereien hüten und darauf achten, nicht immer und immer wieder dasselbe Thema anzuschneiden. Wir sollten jedoch in Liebe von dem Herrlichen zeugen, das wir selbst in der Schrift gefunden haben. Ach, so mancher Gläubige weiß ja nichts von dem, woran wir uns durch Gottes Gnade schon lange erquicken dürfen.
In früheren Zeiten haben die Brüder unter Gebet und viel Eifer Schriften unter Andersdenkenden verbreitet, die von der Art unseres Zusammenkommens, von der Hoffnung, die wir haben, oder von der Bibel selbst redeten. Früher wurden die Wortbetrachtungen mit Liebe und Segen gelesen und anderen warm empfohlen. Und heute?
Möchten wir doch bei uns selbst beginnen, zu dem zurückzukehren, was gut und was nötig ist! Möchten wir, die Lenden umgürtet, „fest und unbeweglich“ dastehen, was die Wahrheit angeht, „allezeit überströmend in dem Werk des Herrn“ - ein lebendiges Zeugnis für Gläubige und Ungläubige -, da wir wissen, dass unsere „Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (1. Kor 15,58).
Auf eine Gefahr möchte ich noch besonders aufmerksam machen, die wohl für alle besteht, die dem Herrn irgendwie dienen möchten, und das ist die Gefahr gesetzlichen Vorgehens. In solchen Fällen wird unser Zeugnis mehr schaden als nützen. Nein, wir müssen den Menschen begegnen mit dem Herzen Christi, durchdrungen von der Not der Zeit. Betrachten wir aus solcher Herzensstellung heraus die großen Scharen, so wird es mit den rechten Gefühlen geschehen. „Innerlich bewegt“, werden wir dann anhalten im Gebet und in unermüdlicher Tätigkeit.
Sind wir uns des Segens bewusst, der unser Teil ist, und haben wir ein Herz für die, die alles dies entbehren, so wird die Liebe die Triebfeder unseres Tuns und Handelns sein. Dann rufen wir den anderen zu: Kommt und seht! Dann leiten wir die Menschen an der Hand zu Quellen der Segnung. Dann sind wir weder hart noch kurzsichtig noch ermüdend, sondern betrübt darüber, dass andere das Glück nicht kennen, das wir selbst genießen, tun wir, was wir können, zu ihrem Besten.
Wir halten unsere Augen manchmal geschlossen. Als ich ein Junge war, sagte mein Vater oft: „Wir müssen mit offenen Augen durchs Leben gehen!“. An dieses Wort habe ich häufig denken müssen. Das Sehen der Dinge um uns her, des Elends und Mangels, der großen Ernte und des Fehlens von Arbeitern, treibt uns zu Gott und - zu Menschen.
„Als Jesus aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie."
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