2009-10-03

Mission in der Geschichte

Wer sich für christliche Mission interessiert, wird erfahren wollen, was sich in der Vergangenheit ereignet hat. Man kann die heutige Situation nicht verstehen, wenn man nichts über den Hintergrund weiß. Da du im 21. Jahrhundert lebst, hast du ein Erbe christlicher Geschichte von fast 2000 Jahren. Wir sind ein direktes Ergebnis der Vergangenheit, was auch auf die Geschichte der weltweiten Mission zutrifft. Die Mission begann weder mit Hudson Taylor, noch mit William Carey, der allgemein als der Vater der modernen Mission gilt. In Wirklichkeit hat Gott in wunderbarer Weise in der Geschichte der letzten 2000 Jahre gewirkt.

Um die richtige Perspektive zu bekommen, ist es wichtig, einige der wichtigen Missionsbewegungen der Kirchengeschichte zu verstehen. Die Geschichte kann Fragen beantworten, z.B. warum Westeuropa heute dem Evangelium gegenüber so verschlossen ist, wo doch aus der selben Region das Licht der Reformation durch Luther und andere so hell schien. Jeder Kontinent hat einen historischen Hintergrund, wobei alle gleich wichtig sind. Die Geschichte der Mission ist nicht nur wichtig sondern auch höchst interessant. Für den hingegebenen Christen ist nichts faszinierender und begeisternder als die Verbreitung des Evangeliums durch die Jahrhunderte zu beobachten. Alles, was wir innerhalb eines Kapitels tun können, ist, die Hauptbewegungen vom Anfang der Gemeinde zu Pfingsten bis jetzt aufzuzeigen.

Die apostolische Zeit

Als die verdutzten elf Apostel den Missionsbefehl bekamen, konnte man nicht ahnen, in welch riesigem Umfang sich das Evangelium in den darauf folgenden Jahren verbreiten würde. Es gab keine zentralen Organisationen, keine speziellen Finanzquellen, keine politischen Einflüsse, keine Bücher vom Begründer und kein Monument. Und doch war es eine strategisch günstige Zeit, weil zum ersten Mal in der Geschichte verschiedene Faktoren zusammentrafen. Das Reisen war über das erstaunliche römische Straßensystem relativ-sicher und einfach. Durch die griechische Sprache und Kultur, die sich weit verbreitet hatte, wurde die Kommunikation leicht gemacht.

Die offizielle römische Haltung war, fremde Religionen zu tolerieren, so dass Christen gegenüber kein unmittelbarer Widerstand auftrat. Schließlich waren im ganzen Imperium Juden ansässig geworden, deren Synagogen zum Sprungbrett für die Verbreitung der christlichen Botschaft wurden.

Die Ausbreitung des Christentums in apostolischer Zeit

Karte der Missionsreisen

Als die ersten Christen wegen der Verfolgung aus Jerusalem fliehen mussten, gingen sie in Orte wie Antiochia, wo sie zuerst in der Synagoge und später unter den Griechen (Heiden) predigten. Gott rettete in Seiner Gnade eine bedeutende Zahl, und so bildete sich eine Gemeinde. Von dort wurden Missionare ausgesandt, und auch andere Christen gaben Zeugnis, wohin auch immer sie kamen. Ohne irgendeinen zentralen Plan entstanden überall im Imperium kleine Gemeinden, manche als Ergebnis vollzeitlicher Missionare und andere als Ergebnis normaler oder gezwungener Umsiedlungen von Menschen, die es sich zur Aufgabe machten, überall, wo sie hinkamen, Zeugnis zu geben, zu lehren und Gemeinden zu bauen. Die christliche Wahrheit verbreitete sich wie ein Waldbrand unter Tau­senden vorbereiteter Menschen, die die Leere der griechischen und römischen Religion satt hatten.

Der erste Widerstand kam von konservativen Juden, die das Chris­tentum als Bedrohung des Judentums ansahen. Stephanus wurde gesteinigt und andere verfolgt. Später hetzten die Juden bei den rö­mischen Behörden gegen die Christen, woraufhin Paulus gefangen genommen und später geköpft wurde. Danach begannen die Römer, an den gläubigen Christen eine non-konformistische Haltung zu sehen und lasteten ihnen deshalb im Jahr 64 den Brand von Rom an. So begann die erste einer Serie von Verfolgungen. Manche wur­den am Scheiterhaufen verbrannt, andere zum Vergnügen der Rö­mer in der Arena den wilden Tieren vorgeworfen. Petrus wurde wahrscheinlich im Jahr 67 gekreuzigt. Jerusalem wurde von der römi­schen Armee vollständig zerstört. Sie war ausgesandt worden, um das Emporkommen der Juden zu ersticken und während die Chris­ten durch der Prophetie des Herrn entkamen (Lk. 21,21), war dies das Ende eines jeden Versuchs, Jerusalem als Zentrum der Chris­tenheit zu etablieren. Bereits vor Ausgang des ersten Jahrhunderts flossen unbiblische Praktiken ein, sowohl die Trennung von Geist­lichkeit und Laien als auch der Anfang einer Kirchenhierarchie in der Erhöhung von Bischöfen aus der Gesamtheit der Ältesten einer örtlichen Gemeinde zu einem Bischof, der über viele örtliche Ge­meinden gesetzt wurde.

Die nach-apostolische Periode 100-312 n.Chr.

Johannes starb als Letzter der zwölf Apostel. Wahrscheinlich starb er in Ephesus kurz vor Ende des ersten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit war die Verfolgung der Gemeinde im ganzen Imperium verbreitet. Dafür gab es verschiedene Gründe. Die römische Religion wurde dadurch beleidigt, dass die Christen den Götterbildern nicht räuchern wollten. Die Römer hatten ihr Vertrauen verloren, weil die Christen sich heimlich trafen, und falsche Berichte ihre Moral und ihre Treue in Frage stellten. Die soziale Ordnung war gesprengt, weil Gläubige aller Klassen sich um den Tisch des Herrn versam­melten, ohne die Sklaven von den Freien zu trennen. Die Kaufleute waren aufgebracht, wie im Fall der silbernen Figuren der Göttin Diana in Ephesus, die nicht mehr gekauft wurden, als viele sich dem Herrn zuwandten. Aus all diesen Gründen dehnte sich die Ver­folgung aus. Es gab zehn besonders schlimme Perioden der Verfol­gung zwischen 64 und 312.

Die interessante Tatsache ist, dass das Christentum sichtbar zu­nahm, gerade während dieser schrecklichen Verfolgungen, wo Tausende von Märtyrern hingerichtet und andere in jeder erdenklichen Weise gequält wurden. Das Evangelium fasste im Norden Fuß, es war in Syrien fest verankert, wo Antiochia das Zentrum war. Von dort verbreitete es sich weiter nach Norden und Westen im Gebiet der heutigen Türkei. Dort legten Paulus und seine Begleiter den Grund, und eine große und blühende Bewegung entstand. Ignatius war ein bekannter Leiter in Antiochia. Er wurde nach Rom depor­tiert, wo er dazu verurteilt wurde, von wilden Tieren gefressen zu werden. Polycarp, ein Leiter in Ephesus, wurde im Jahr 156 n. Chr. auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, seinen König zu verfluchen. Er war 86 Jahre alt.

Die Evangeliumsbotschaft ging auch westwärts nach Mazedonien und Achaja {das heutige Griechenland) und nach Italien, besonders aber nach Rom. Im Schatten des Kaisers wuchs eine große und ein­flussreiche Gemeinde heran. Die Gute Botschaft machte dort nicht Halt. In Gallien (Südfrankrcich) entstanden sehr viele Gemeinden unter den Römern und Kelten dieses Gebiets. Irenäus von Lyon berichtete von dieser Bewegung, die schon damals eine Kultur über schreitende Mission durchführte. Weiter westlich entstand im zwei­ten Jahrhundert eine wachsende Gemeinde in Spanien. Paulus hatte die Absicht, nach Spanien zu gehen, aber es ist nicht sicher, ob ihm das gelang. Auch dort blieb das Evangelium nicht stehen. Es gibt sichere Hinweise, dass im zweiten und dritten Jahrhundert in Großbritannien Gemeinden entstanden. Im Jahr 314 nahmen drei Bischöfe aus Britannien am Konzil von Arles in Frankreich teil.

Nach Osten hin gab es im zweiten und dritten Jahrhundert von Syrien aus Fortschritte, als die christlichen Zeugen ostwärts zogen. Starke Gemeinden wurden in Armenien (im Süden Russlands) und in Osrhoene (nördlicher Irak) gebaut. Es gibt auch Hinweise auf Gemeinden in Indien, deren Gründung gewöhnlich dem Apostel Thomas zugeschrieben werden.

Im Süden wuchs die Gemeinde in Alexandrien schnell. Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts errichtete Clemens von Alexandrien eine Schule und sein Nachfolger war Origines. Dort wurden Missionare für Nordafrika, Arabien und vielleicht auch Indien herangebildet. Die Bibel wurde ins Koptische übersetzt. In den Ländern, die jetzt Tunesien und Algerien heißen, gab es in jeder Stadt Gemeinden, meist unter den lateinisch sprechenden höheren Klassen. Dort wur­de die erste Übersetzung der Schrift ins Lateinische erarbeitet.

Zur Zeit Konstantins (312 n.Chr.) hatte die Gemeinde fast jeden Win­kel des römischen Imperiums erreicht, im Osten sogar darüber hinaus. Möglicherweise waren ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung Chris­ten, obwohl es so schreckliche Zeiten der Verfolgung gab. Zusammen mit dem Wachstum nahm auch die Trennung von den Prinzipien des Neuen Testaments zu. Die Bischöfe wuchsen in ihrer Autorität. Die Kindertaufe wurde eingeführt. Das Abendmahl war zu einer mysteriö­sen Handlung geworden, die von einem geweihten Geistlichen ausge­führt wurde. Lehrirrtümer verschiedener Art schlichen sich ein.

Es sind also drei Dinge, die die Missions-geschichte während dieser Zeit (100-312) charakterisieren: Große Verbreitung, große Verfolgungen und große Abweichungen vom Glauben.

Die Staatskirche von 312 bis 500

Im Jahr 312 gewann Konstantin die entscheidende Schlacht in Rom und wurde dadurch Regent des weströmischen Reiches. Im Jahr darauf wurde in Mailand vom Ost- und Westreich das Edikt der Toleranz beschlossen, das den Christen Religionsfreiheit gewährte. Es wurde populär, ein Christ zu sein, und der Staat unterstützte die Kirche. Äußerlich gab es einige Veränderungen zum Besseren, so wie die Abschaffung der Kreuzigung. Aber innerlich raubte der Ver­fall bereits die Vitalität der Gemeinde. Heidnische Praktiken wie Standbilder in den Kirchen wurden übernommen. Maria wurde mehr und mehr auf den Leuchter gehoben und das Abendmahl wurde schrittweise zur Messe abgewandelt.

Trotz dieser negativen Faktoren liebten viele den Herrn und wollten seinem Auftrag gehorchen, die Welt zu evangelisieren. Zwei Seeleu­te wurden gefangen genommen und nach Äthiopien verschleppt, wo sie das Evangelium predigten. Als sie später freigelasscn wur­den, kehrte der eine von ihnen, Frumentius, zurück und gründete eine Gemeinde, die sich bis heute in verkümmerter Form gehalten hat.

Im vierten Jahrhundert ging Ulphilas nordwärts zum Unterlauf der Donau und baute dort unter den Goten eine Gemeinde. Er übertrug ihre Sprache in eine Schrift und übersetzte die Bibel ins Gotische. Somit wurde erstmalig das Wort Gottes in »heidnischer Sprache« wiedergegeben. In Gallien wurde das Evangelium besonders durch St. Martin, den Bischof von Tours (in Frankreich), vorangetrieben. Er reiste weit umher, um das Evangelium zu entfernten Landstrichen zu bringen und das Heidentum unter den Franken zu bekämpfen.

In Irland wurde Patrick ein großer Evangelist, der 432 anfing, in ganz Irland Kirchen und Klöster zu bauen. In dieser Zeit zerfiel das römische Reich, aber die römische Kirche gewann weltweiten Ein­fluss.

Die Ausbreitung des Christentums bis 500 n.Chr.

Das Mittelalter 500 bis 1500

Mit dem politischen Zerfall des römischen Reichs kam der politi­sche Aufstieg der Kirche und die zunehmende Macht des Papstes. Schließlich erhielten Könige und Kaiser von Westeuropa ihren Thron durch Erlass und Zustimmung vom Papst. Im Mittelalter bean­spruchte der Papst wie auch heute, der Stellvertreter Christi auf Er­den zu sein und erklärte, die Welt an Christi statt zu regieren. Trotz der päpstlichen Macht und der Korruption in der Kirche gab es Ge­biete mit missionarischem Eifer und Interesse. Der Einfluss des Papsttums hatte den entfernten Westen Irlands noch nicht erreicht, und von dort verbreitete sich das Evangelium im sechsten und sie­benten Jahrhundert über ganz Nordeuropa. Von dem berühmten Kloster auf der Insel Iona an der Westküste Schottlands reisten Mis­sionare nach Schottland. England, Frankreich. Luxemburg, Nord-italien und in die Schweiz. Colomba und Aidan waren zwei der be­kannteren irischen Evangelisten jener Zeit. Im Verlauf des finsteren Zeitalters verband sich die irische Kirche mehr und mehr mit Rom und das Interesse an der Evangelisation schwand dahin.

Süd-England wurde von der christlichen Botschaft angerührt, als Papst Gregor der Große im Jahr 596 Augustinus nach Cantcrbury sandte. (Dieser Augustinus darf nicht verwechselt werden mit seinem be­rühmteren Namensvetter von Hippo in Nordafrika.) Diese Arbeit war weit weniger evangelikal als die irische. Deutschland und spä­ter auch Holland wurden durch den englischen Missionar Bonifazius (680-755) erreicht. Inzwischen kam Ansgar, der Apostel des Nor­dens, nach Schweden. Während es wenigstens einige Fortschritte in Nord- und Westeuropa gab, wurde die Kirche an den südlichen Flan­ken durch die Armee Mohammeds dezimiert. Über 100 Jahre lang gab es nichts als Sieg der muslimischen Soldaten. Arabien, Persien, Palästina, Kleinasien, Nordafrika und Spanien kapitulierten alle vor ihnen. Schließlich wurden sie 732 in Tours in Frankreich gestoppt, aber sie hatten die Kirche bereits in den Ländern besiegt, die sie erobert hatten.

1054 wurde die Ostkirche auf Dauer von der Westkirche getrennt. Vom Osten aus wurden einige Fortschritte in der Zeit der muslimi­schen Eroberung gemacht. Konstantinopel war inzwischen die zivi­lisierteste Stadt der christlichcn Welt. Das Eindringen des Islam hatte die christliche Welt in zwei Hälften geteilt, aber nicht einmal das konnte den Lauf des Evangeliums aufhalten. Im neunten Jahrhun­dert ging Kyril nach Norden zu den slawischen Völkern. Von dort aus wurden Bulgarien und Jugoslawien erreicht. Um das Jahr 1000 wurde Kiew in Russland erreicht und das Christentum verbreitete sich auf viele Teile des europäischen Russlands. Inzwischen kamen die deutschen Christen im Osten in Böhmen, Ungarn und Polen voran.

Ein anderer Zweig, das ncstorianischc Christentum, war eine frü­here Bewegung von Konstantinopel aus. Nestorius war von Antiochia aus Gründen seiner Lehre exkommuniziert worden und ließ sich in Persien, in Edessa, nieder. Von dort breitete sich das nestorianische Christentum entlang der Handelsrouten östlich vom kaspischen Meer bis zum chinesischen Meer mit unterschiedlichem Erfolg aus. Zu jener Zeit wurde in China aber keine bleibende Gemeinde er­richtet.

Auf der Höhe des Mittelalters schlugen die sieben Kreuzzüge, die das Heilige Land vom Islam befreien sollten, fehl, obwohl Jerusa­lem für einige Zeit in christlichen Händen war. Der Erfolg der Kreuzzüge war, dass die Beziehungen zwischen Moslems und Christen auf Dauer zerstört wurden. Das beeinträchtigt heute noch die Mis­sion in jenen Ländern. Eine Folge war auch die dauerhafte Teilung der Ost- und Westkirche, und die ganze Moral der Christenheit wurde gesenkt. Alles in allem war es ein düsterer Schandfleck für den Na­men des Herrn Jesus Christus.

Obwohl die Situation dekadent und bruchstückhaft war, war Gott noch am Werk. Es gab noch Menschen, die hartnäckig an der Ein­fachheit des Evangeliums festhielten. Einer davon war im 12. Jahr hundert Peter Waldo aus Lyon, Frankreich. Er lehrte das reine Evangelium und wurde schließlich von der römischen Kirche ex­kommuniziert. Seine Nachfolger leben heute noch in Italien und an anderen Orten, und werden Waldenser genannt. Inzwischen gab es in der römischen Kirche eine Erneuerung des Interesses für Missi­on. Beginnend mit Franz von Assisi (1181-1226) hatten Missions­bestrebungen der Kirche nicht wie früher die Klöster, sondern die Ordensbrüder zum Mittelpunkt. Von diesen Orden wurden Gesandte zur mongolischen Hauptstadt in Asien (Johannes von Plano Carpini) und sogar bis nach Peking in China {Johannes von Monte Corvino) geschickt. Ordensbrüder kamen auch nach Persien und Indien. Einer der größten Missionare war Raymond Lull (geboren 1235). Er hatte eine Last für Moslems, entwickelte eine rationale Erklärung des Evangeliums um sie zu erreichen und betonte, wie wichtig es ist, die Sprache gut zu erlernen. Er starb als Märtyrer in Nordafrika.

In England zündete John Wycliff das Licht der Bibel an, und stellte damit die Lehre der römischen Kirche bloß, wofür er gehasst wurde. Er übersetzte die Bibel ins Englische und sorgte für eine weite Ver­breitung. Er wurde »der Morgenstern der Reformation« genannt. Die Schrift wurde mehr und mehr verbreitet. Ausländische Studenten kamen nach Oxford zum Studium, unter ihnen war Jerom aus Prag, der dem Johannes Hus in Böhmen die Wahrheit weitergab. Johan­nes Hus predigte furchtlos und wurde schließlich von den Priestern überlistet, gefangen genommen, mit falschen Anklagen belastet und in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Die Zeit der Reformation 1500 bis 1792

Der Name Martin Luthers ist eng mit der protestantischen Refor­mation verbunden. Wie sich die Wahrheit verbreitete, nahmen viele Nordeuropäer den Protestantismus an. Man könnte meinen, das würde zu einer weltweiten Verbreitung und neuen missionarischen Bemühungen geführt haben. Genau das Gegenteil war der Fall. Die Reformatoren waren sehr langsam in Bezug auf weltweite Verbrei­tung. Teilweise beruhte das auf ihrer starken Überzeugung von Prä­destination, die zu dem Schluss führte, Evangelisation sei allein Gottes Werk. Sie waren auch durch den dreißigjährigen Krieg ge­schwächt. Nordeuropa hatte auch keine Kolonien als Missionsfeld. In der gleichen Zeit (1500 1700) fasste die katholische Mission Fuß in den spanischen und portugiesischen Kolonien.

Es gab einige wenige Protestanten, die die Mission vorantrieben, wie Savaria und Baron von Weltz, aber meistens hörte man nicht auf ihre Stimmen. Aber Gott bereitete die Welt auf eine große mis­sionarische Bewegung vor. Verschiedene Faktoren waren wichtig. Erstens hatte die Reformation stattgefunden und es gab Zehntausende wahrhaft Gläubige in Europa. Zweitens hatte Gutenberg die Druckerpresse mit beweglichen Buchstaben erfunden, was eine Literaturherstellung in großen Auflagen erlaubte. Drittens begannen gerade die nördlichen Länder Westeuropas Handelsbeziehungen mit dem Osten zu knüpfen, und Segelschiffe umsegelten die Welt. Es war das Zeitalter der Entdeckungen. Viertens gaben die intellektuel­len Fortschritte der westlichen Länder Anlass zu dem Mythos der Überlegenheit der Weißen. Aber auch ein sensibles Bewusstsein Anderen gegenüber wurde wach. Es begann die Bewegung gegen die Sklaverei, weil man den Wert der Seelen anderer sah. Fünftens be­reitete Gott einflussreiche Menschen für den großen Fortschritt der pictistischcn Bewegung in Deutschland vor. An der Universität Halle fing man an. Missionare hcranzubildcn, von denen einige von der dänischen Regierung 1706 nach Indien gesandt wurden. Graf Zinzendorf inspirierte die Herrenhuter Brüder, die bald Missionare nach zehn Ländern der Welt aussandten. In Amerika gab es Bemühun­gen, die Indianer durch Männer wie John Elliot und David Brainard zu evangelisieren. Gott bereitete sein Volk für das große Jahrhun­dert der Mission vor.

Das große Jahrhundert der Mission 1792 bis 1914

In England hatte das evangelikale Erwachen unter Whitefield und den Brüdern Wesley das Land für seinen Teil an der weltweiten Mis­sion vorbereitet. John Wesley selbst wurde durch die mährische Bewegung bekehrt und von Graf Zinzendorf beeinflusst. William Carey, ein Teilzeitpastor und Schuhmacher, hatte ein Herz für die Verlore­nen und brachte sein Anliegen vor die baptistischen Pastoren. Die Folge war die baptistische Missionsgesellschaft. Carey wurde als ers­ter Missionar 1793 nach Indien ausgesandt. Dies wird für gewöhn­lich als der Beginn der modernen Missionsbewegung angesehen.

Der Student wird jedoch bemerkt haben, dass Gott in allen Jahrhun­derten gewirkt und sein Volk gebraucht hat. Innerhalb weniger Jahre wurden weitere Missionsgesellschaften in England, Schottland, in der Schweiz und den U.S.A. gegründet. Zunächst siedelten sich Dutzen­de und später Hunderte von Missionaren in entfernten Gebieten der Welt an. Sie lernten die Sprachen, übersetzten die Bibel, errichteten Schulen, behandelten die Kranken und bauten Gemeinden.

Sie stießen auf Widerstand jeder nur erdenklichcn Art. Carey durfte weder auf einem englischen Schiff reisen noch in einer englischen

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Mission

Siedlung wohnen. Er arbeitete hauptsächlich von einer dänischen Kolonie in Indien aus, die den Namen Serampore trug {bei Kalkut­ta). Große Männer wie John Marshman und William Ward schlos­sen sich ihm an. Andere Gruppen sandten Männer wie Henry Martyn, dessen Tagebuch immer noch ein Schatz für Andachten ist. Alexander Duff von der schottischen Kirche arbeitete unter den Ben­galen. Robert Morrison kam 1807 in Kanton in China an und war zunächst gezwungen, versteckt zu leben, während er die Überset­zung des Neuen Testaments begann. Inzwischen erreichte die Missionsbewegung auch Südostasien und die Südseeinseln.

Die amerikanische Mission hatte ihren Anfang in einem Heuschober bei Williams College, wo christliche Studenten Schutz vor Sturm und Regen suchten. Sie beteten für die heidnische Welt und kamen zu dem Schluss: »Wir können sie erreichen, wenn wir nur wollen.« Von diesem Ausgangspunkt startete Adoniram Judson nach Burma, und viele andere folgten ihm. Amerikanische Gruppen beteiligten sich neben denen aus Europa. Schon 1818 wurden Missionare in den Nahen Osten geschickt, wo sie großen Widerstand erfuhren, aber tapfer weiter machten. Das Ergebnis davon ist bis heute kläg­lich. Als einer der ersten in Afrika bemühte sich Robert Moffatt unter dem Stamm der Tswana in Südafrika. Sein Schwiegersohn, David Livingstone, wurde von Gott als Pionier in ein großes Gebiet in Zentralafrika geschickt, und viele Missionare folgten seinem Beispiel. Livingstone starb 1873 in dem Landstrich, der heute Sambia genannt wird, aber zu der Zeit gab es dort schon einige Missionare, und es wurden immer mehr. Krankheit, Seuchen, Unfälle und Tod rafften fast die Hälfte dieser frühen Missionare, die nach Afrika kamen, hinweg, aber es kamen immer mehr hin.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging es noch schneller voran. Endlich ergab Japan sich dem Druck evangelistischer Arbeit im Jahr 1858. Glaubensmissionen ohne Denomination entstanden, anfangend mit der China Inland Mission gegründet von James Hudson Taylor. Korea öffnete sieh, gefolgt von den Philippinen. Um 1870 gab es buchstäblich Tausende von Missionaren in allen bekannten Teilen der Erde, und sie erreichten nach Möglichkeit jedes Volk und jeden Stamm. In dieser Zeit öffnete sich auch Lateinamerika der evangelikalen Mission. Brasilien war eines der ersten Länder, wo Dr. Robert Kelly eine Arbeit in Rio begann. Trotz starker Opposition der römisch katholischen Kirche durchdrang das Evangelium ein Land nach dem anderen. Nicht nur in Lateinamerika, sondern in der ganzen Welt war die Zeit zwischen Careys Abreise nach Indien im Jahr 1793 bis zum Ersten Weltkrieg 1914 die Zeit der größten Ausdehnung des Evangeliums seit der apostolischen Zeit.

Mission im zwanzigsten Jahrhundert

Die explosive Verbreitung der Mission im 19. Jahrhundert lief parallel zur Entwicklung der Kolonisation und dem Überlegenheitsgefühl des Westens. Der Erste Weltkrieg trug viel dazu bei, den Traum einer vom Westen geführten Welt zu vernichten. Viele Nationen wurden in Konflikte hineingezogen, für die sie kaum einen christlichen Grund fanden. Als Japan 1905 die Russen besiegte, wurde erstmalig eine westliche Nation von einer östlichen erniedrigt. Danach brachte die russische Revolution 1917 den Anfang einer neuen antichristlichcn Kraft in die Welt. Zu diesem Durcheinander kam noch hinzu, dass die meisten der protestantischen Gruppen durch die liberale Richtung vergiftet wurden, und das Interesse für Mission bei ihnen sank. Dann kam die große Depression der Jahre um 1930 und die finanziellen Hilfsmittel für die Mission verringerten sich stark.

K.F.


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