Sektiererisch oder großherzig?
„Wird doch auf alle Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch freuen.“ (Philipper 1,18)
Es ist ein weitverbreitetes Übel unter den Menschen, nichts Gutes außerhalb ihres eigenen privaten Gesichtskreises anzuerkennen. Sie haben gleichsam ein Monopol, was Können und Leistung betrifft, und können unmöglich zugeben, dass irgendjemand sonst etwas Vergleichbares sein oder tun kann.
Sie erinnern uns an den ironischen Autoaufkleber: „Ich bin Eins A, du bist so lala.“ Und selbst das würden manche nur zähneknirschend zugeben. Ihre Gemeinde ist die einzig wahre. Ihr Dienst für den Herrn ist der einzige, der zählt. Ihre Ansichten über alle Dinge sind die einzig gültigen. Sie „sind die Menschen, mit denen die Weisheit aussterben wird“.
Paulus gehörte nicht zu jener Schule. Er erkannte an, dass auch andere das Evangelium predigten. Zugegeben, einige taten es aus Neid, in der Hoffnung, ihn damit zu ärgern. Aber dennoch konnte er sie dafür loben, dass sie das Evangelium verkündigten, und dennoch konnte er sich darüber freuen, dass Christus gepredigt wurde.
In seinem Kommentar über die Pastoralbriefe schrieb Donald Guthrie: „Unabhängige Denker brauchen viel Gnade, um anzuerkennen, dass die Wahrheit auch noch durch andere Kanäle als ihre eigenen fließen kann.“
Es ist ein typisches Kennzeichen der Sekten, dass ihre Führer behaupten, in allen Fragen des Glaubens und der Moral das letzte Wort zu haben. Sie verlangen bedingungslosen Gehorsam allen ihren Forderungen gegenüber und versuchen, ihr Anhänger von jeder eventuellen Berührung mit abweichenden Meinungen zu isolieren.
In der selten gelesenen Einleitung der King-James-Übersetzung der Bibel schreiben die Übersetzer von „eingebildeten Brüdern, die ihre eigenen Wege gehen und nichts anderes schätzen, als was von ihnen selbst erdacht und auf ihrem eigenen Amboss geschmiedet wurde“.
Wir sollten daraus lernen, großherzig zu sein und jedes Gute anzuerkennen, wo immer wir es auch finden; und einzusehen, dass, wenn wir an christliche Gemeinschaft glauben, wir niemals behaupten können, „wir“ wären die einzig Richtigen und hätten die Wahrheit gepachtet.
Vorheriger Artikel Nächster Artikel