Eine unserer wichtigsten Aufgaben
„Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen!“ (Röm 10,15).
Es gibt viele Seelen, die kurz vor der ewigen Verdamnis stehen. Sind wir abrufbereit, um ihnen noch einmal das Evanglium zu sagen? Folgende wahre Geschichte, die ich vor kurzem las, macht Mut das Werk eines Evangelisten zu tun:
„Können Sie kommen, um eine kranke Frau zu besuchen?“
— „Ist es sehr dringend?“ — „Ja, sie wird die Nacht wohl nicht überleben.“ — „Es ist gut, ich komme sofort.“ Ich legte den Hörer auf.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Straßen der Stadt, war bald an Ort und Stelle und wurde sofort ins Krankenzimmer geführt. Traurig und hilflos sah mir das Gesicht einer Frau entgegen. Die Kranke versuchte zu sprechen, aber ihre Stimme war so schwach und gebrochen, dass ich mich tief über sie beugen musste, um zu verstehen, was sie sagte. Ich fühlte, dass ich dem Tod gegenüberstand, denn man konnte förmlich sehen, wie ihr Leben dahinschwand.
Hoffnungslosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht, während sie darauf wartete, dass ich sie ansprach. Die Dunkelheit des Abends schien sich noch zu vertiefen, als ich die blassen, eingefallenen Züge beobachtete, auf denen Verzweiflung geschrieben stand. Da war keine Zeit zu verlieren, keine Zeit zur Unterhaltung über die Dinge dieser Welt: ein Ewigkeitsschicksal stand auf dem Spiel. — „Frau Cook“, fragte ich, als ich mich über sie beugte, „sind Sie bereit, zu sterben, haben Sie eine Hoffnung?“ — „Nein“, murmelte sie, und ein tiefer Seufzer kam über ihre Lippen.
So klar wie ich vermochte, erzählte ich ihr den wunderbaren Heilsplan Gottes, kniete nieder, betete mit ihr und sang ihr dann leise die Verse:
„So wie ich bin, so muß es sein, nicht meine Kraft, nur du allein, dein Blut wäscht mich von Flecken rein, o Gottes Lamm, ich komm!
Grad' wie ich bin, nimmst du mich an,
die Sündenschuld ist abgetan,
weil ich auf dein Wort trauen kann.
O Gottes Lamm, ich komm, ich komm!“
Als ich den zweiten Vers sang, hörte ich ihre Stimme, wie sie schwach und matt mitzusingen versuchte. Manchmal konnte ich die Worte unterscheiden, aber meist blieben sie unverständlich, bis ich zur letzten Zeile kam. Da sang sie mit Herz und Mund: „O Gotteslamm, ich komm!“
Und sie kam — in der vollen Gewißheit des Glaubens. Ich verließ sie und wusste, dass alles in Ordnung war, dass sie heimging zu ihrem himmlischen Vater.
Sie war ein Mitglied der Kirche gewesen — aber — unbekehrt. Das gerade war ihre große Not, denn das Wort Gottes sagt klar und mit Nachdruck: „Es sei denn, dass ihr euch umkehret, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Mat 18,3). Auf dem Heimweg überfiel mich eine große Traurigkeit im Gedanken an die ungeheure Verantwortung der Menschen, die ändern die Mitgliedschaft in einer Kirche oder Gemeinde gewähren, ohne dass sie „wiedergeboren“ sind.
Ich sah Frau Cook nicht mehr, bis ich an ihrem Sarg stand und ihr wächsernes Gesicht mir todkalt entgegenblickte. Als ich ihre Begräbnispredigt hielt, entschloß ich mich, mehr denn je alles beiseitezulegen und mich rückhaltlos in die Arbeit zu stellen, Menschen für die Ewigkeit bereitzumachen.
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