2016-01-07

Wir brauchen Propheten

Prophetie (Weissagung) hat immer einen zweifachen Charakter. Der eine war, durch den Geist zukünftige Geschehnisse zu offenbaren, der andere, als Sprach­rohr Gottes zu den Herzen und Gewissen der Zuhörer zu sprechen. Wenn wir die prophetischen Bücher des Alten Testaments ‑ Jesaja bis Maleachi ‑ lesen, so sehen wir, dass ein grosser Teil ihrer Botschaften nicht einfach nur das Offenbaren kommender Geschehnisse war, sondern Gott wandte Sich durch sie an die Her­zen und Gewissen der Hörenden, um in ihnen ein Bewusstsein ihrer Sünden und des Bösen in ihrem Ver­halten zu wecken und sie zu Gott zurückzubringen, Ihm zu dienen und Ihm allein.

Gewiss fehlt es gerade heute allgemein sehr an die­sem Dienst. Wie wichtig ist es, dass das gepredigte Wort sich nicht nur an den Verstand wendet, sondern dass Herz und Gewissen getroffen werden, damit der Zuhörer sich seines niedrigen geistlichen Zustandes bewusst wird und der Notwendigkeit einer völligen und wahrhaften Obergabe seines Willens und Lebens an Gott, um fortan in allem nach Seinem Willen zu fragen und ihn zu tun.

Wir hatten Lehrer, die durch die Gnade Gottes so manche vergessene Wahrheit wiederentdeckten. Aber der Dienst von gestern ist nicht unbedingt der, der heute dringend benötigt wird. Gestern überwog die Unwissenheit, und dafür waren Lehrer nötig. Heute je­doch ist die vorherrschende Sünde Abgestumpftheit des Gewissens und das Fehlen von Herzensübungen.

Um diesem Stand der Dinge zu begegnen, brau­chen wir einen Dienst, der zu den Herzen und Gewis­sen redet, so wie ihn die Propheten vor alters hatten, damit sich die Zuhörer ihrer Sünde, ihrer Kälte und ihres Mangels an Eifer bewusst werden und nach Sei­nem ganzen Willen fragen lernen.

„Oder wisset ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott in eurem Leib“ (1 Kor 6,19-20).

Wahrheiten, die jene, die sie einst hervorgruben, Jahre des Gebets und Fastens kosteten, können heute durch das Lesen einer einzelnen Broschüre klar erfasst werden, ohne dass Herz und Gewissen dadurch im mindesten geübt werden. Das Ergebnis ist erschrec­kend.

Eine Wahrheit ergreifen, und von einer Wahrheit er­griffen sein, das sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Sollten wir nicht zu Gott rufen um wahre Propheten, Männer mit einem Gott geweihten Leben, denen es geschenkt ist, ernst und eindringlich zu sprechen, die das lange schlafende Gewissen aufzuwecken ver­mögen, die sich nicht scheuen, die verborgene Ver­derbnis, die die Finsternis liebt, "im Licht" bloßzu­stellen.

Möge doch niemand sagen, Liebe verbiete solchen Dienst. Nein, wahre Liebe ruft danach. Niemand liebte wie der Herr, und doch redete nie jemand zu den Ge­wissen wie Er, der nicht nur voller Gnade, sondern auch voller Wahrheit war.

Gerade dieser Dienst fehlt uns heute so sehr. Die allgemeine Selbstzufriedenheit würde ohne Zweifel da­durch den Todesstoss erhalten. Viel fleischliche Zur­schaustellung würde zu einem frühzeitigen Ende kom­men. Doch würde nur das Schaden nehmen, was falsch und unwahr ist, und das würde gewiss niemand bedauern.

Die Frage für uns ist, ob unser Ansehen unseren Herzen mehr wert ist als Gottes Ehre. Wir haben Redner und Schreiber, aber wo ist dieser Dienst zu finden? Ist er verstummt aus Menschenfurcht?

Der Herr erhört Gebet. Möge jedes aufrichtige Herz, dem Seine Ehre teuer ist, zu Ihm schreien, dass Er in unserer Mitte diesen fehlenden Dienst in gewissen­erforschender Kraft wieder ins Leben ruft.

„Wer mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit! Was hat das Stroh mit dem Korn gemein? spricht der HERR. Ist mein Wort nicht also ‑ wie Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?“ (Jer 23,28???29).

J.N.D.


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