Eine Antwort auf Gebet
Die kleine Versammlung in Potosi wuchs. Was für eine Freude war das für die jungen Missionare! Jede Woche gab es jemand, der den Herrn als seinen Heiland bekannte. Trotz dieser Ermunterung fühlten sie aber beide, dass sie nicht das ausführten, wozu der Herr sie nach Bolivien gesandt hatte: Die Arbeit unter den Indios.
Sie hatten viel Freude an ihrem Heim, und doch wurden sie immer mehr geübt in Bezug auf die Arbeit, in der sie der Herr eigentlich haben wollte. Beide hatten sie ein tiefes Verlangen, in die Berge und Täler unter die Indios zu gehen, die von der Regierung vernachlässigt wurden — in Gebiete, wo es keine Schulen und keine Krankenhäuser gab.
Eines Tages war der junge Ehemann darüber so beschwert, dass er, als er allein die Straße entlangging, betete: „Herr, ich kann einfach nicht gehen, es sei denn, ich habe fünfhundert Dollar." Es legte Sich ihm aufs Herz, in dieser Weise anhaltend zum Herrn zu beten. Als er nach Hause kam, sagte er zu seiner Frau: „lch habe schwer gesündigt, Liebes!" Nun erzählte er ihr, in welcher Weise er gebetet hatte. Sie versuchte ihn zu trösten; dann knieten sie beide nieder und breiteten die Sache vor dem Herrn aus.
Am folgenden Morgen ging er wie üblich zum Postamt. Briefpost war zu dieser Zeit nur schleppend eingegangen, weil es eine Reihe von Streiks bei einigen der Postämter gegeben hatte. Ein Brief, fast aufgerissen, erwartete ihn. Er enthielt einen Scheck über hundert englische Pfund (genau fünfhundert Dollar). Es lag nur eine kurze Nachricht dabei. Sie lautete: „lch bin eine alte Frau von achtzig Jahren und bete schon jahrelang für jemand, der zu den Indianern gehen soll. Inliegend 100 Pfund, um diese Arbeit für den Herrn zu beginnen." Der Brief kam aus Australien und war über drei Monate unterwegs gewesen! Seine Augen füllten Sich mit Tränen, als er Sich erinnerte: „Und es wird geschehen: Ehe sie rufen, werde ich antworten; während sie noch reden, werde ich hören!" (Jesaja 65,24).
Er konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, um seiner Frau die gute Nachricht zu bringen! Im Eilschritt stürmte er in das kleine Appartement und rief: „Liebes, wann kannst du dich fertigmachen, dass wir zu den Indios zu gehen?"
Sie lachte und erwiderte. „Gleich jetzt, mein Lieber. Warum?" Wie wahr sind die Worte des Herrn Jesus in Matthäus 18,19: „Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen zuteil werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist." Sie knieten miteinander an ihrem Bett nieder und dankten dem Herrn; dann baten sie lhn um Seine Leitung in allem. Dies war ein wichtiger Meilenstein in ihrem Leben.
An jenem Abend erzählte er der kleinen Gruppe im Versammlungsraum, was geschehen war. Zwei der jungen Brüder meldeten Sich freiwillig, sie bei der Suche nach dem Ort, den der Herr für die Arbeit gewählt hatte, zu begleiten. Sie hatten von einem Platz gehört, wo zu beiden Seiten eines Flusses Indianerhütten waren — viele Meilen Richtung Süden. Als der Missionar das hörte, hatte er den Eindruck, es sei der Wille des Herrn, dass sie dorthin gingen.
Er wusste, die Indianer sprachen Ketschua, jedoch nur wenige von ihnen konnten Spanisch. Er selbst konnte zwar kein Wort Ketschua, aber einer der Brüder, der Sich anbot mitzugehen, konnte es ganz gut. So füllte der Herr diesen Mangel aus.
Schon bald im Jahr 1925 ließ er seine geliebte Frau in ihrem Appartement zurück. Sie sollte inzwischen die notwendigen Vorbereitungen treffen, um ihn zu begleiten, sobald er zurückkehrte. Er trat die Reise mit den beiden Brüdern zu Fuß an, „durch Glauben ... ohne zu wissen, wohin er komme" (Hebräer 11,8). Während sie unterwegs waren, konnten sie viele Traktate weitergeben. Manchmal, wenn sie eine Gruppe von Menschen sahen, die Spanisch sprechen konnten, hielten sie an und verkündigten das Evangelium in Spanisch.
Jeden Abend sagten die beiden Begleiter müde: „Bruder, wohin gehen wir denn?" Alles, was er sagen konnte, war: „Lasst uns weiter nach Süden ziehen. Ich glaube, der Fluss ist im Süden, aber genau weiß ich es nicht." Am vierten Tag war auch er sehr müde und etwas entmutigt. Am Nachmittag kamen sie an einen Fluss. Als sie den Abhang hinunterschauten, konnten sie zu beiden Seiten des Flusses Indianerhütten sehen! Mit einem Seufzer der Danksagung zum Herrn im Herzen blieb er stehen und sagte, indem er auf die Hütten zeigte: „Brüder, dies ist der Platz, wo der Herr will, dass wir bleiben." Sie übernachteten am Berghang unter den Dornbäumen, die in Bolivien bis auf den heutigen Tag so häufig anzutreffen sind.
Am nächsten Tag machten sie Sich auf den Weg zu einer der Hütten, die sie aus der Entfernung gesehen hatten, und beteten um Leitung. Zu ihrer Überraschung fanden sie einen alten Sklaven, der mit einer Halb-Indianerin in einer kleinen Einraumhütte lebte. Der Schmutz und die Armut waren schrecklich. Sie erfuhren, er sei vor vielen Jahren nach Bolivien gekommen in der Hoffnung, in den Bergwerken reich zu werden. Aber er hatte alles, was er besaß, ausgegeben und lebte in absoluter Armut. Der Missionar fragte ihn, wem das Grundstück gehöre. Er sagte, es gehöre ihm — er hatte es vor vielen Jahren einem der Indianer abgekauft.
Der Missionar stellte dann die Frage, ob er Lust hätte, es zu verkaufen, und falls ja, wieviel er dafür verlange. Zuerst war der Mann zu überrascht, um gleich antworten zu können. Nach einer Weile sagte er: „Möchten Sie diesen Platz wirklich kaufen?" Der Missionar erwiderte: „Ja, ich möchte unter diesen Indianern leben, um ihnen von dem Herrn Jesus Christus zu erzählen und wie Gott sie liebt und Seinen Sohn sandte und Ihn für sie sterben ließ. Und ich möchte auch Ihnen erzählen, dass Er Sie ebenfalls liebt und für Sie starb."
Der Mann antwortete nicht. Dann fragte der Missionar: „Wieviel würden Sie für diesen Platz nehmen?" Der Mann dachte eine Weile nach, dann blickte er langsam auf und sagte: „Fünfhundert Dollar!" Der Missionar konnte seinen Ohren kaum trauen! Er dachte an die fünfhundert Dollar, die er in bolivianisches Geld umgewechselt hatte, bevor er Potosi verließ, und seitdem bei Sich hatte.
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