Studd spendet sein Vermögen
„Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Rost zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen; denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ (Mt 6,19-21)
Charles Studd ist ein eindrückliches Beispiel dafür, was es bedeuten kann, gegenwärtige Opfer im Blick auf den Himmel einzugehen. Er setzte sein Vertrauen nicht auf Geld und Besitz, sondern sammelte sich Schätze auf der Himmelsbank, die nicht vergehen. Als er in China als Missionar tätig war, ist folgendes geschehen:
„Eines Morgens befand sich in der Post überraschenderweise ein dicker Umschlag mit Dokumenten des Bankhauses Coutts and Co. und der Anwaltskanzlei der Familie Studd. Als Charles den Umschlag aufriss, bemerkte er, dass er vor zwei Wochen seinen 26. Geburtstag wieder vergessen hatte. An dem Tag war ihm das Erbe seines Vaters überschrieben worden.
Der Umschlag enthielt Kopien von Aktien und Bankauszügen. Sie betrafen Vermögenswerte, die jetzt sein Eigen waren. Schnell rechnete Charles die Summen zusammen: Er war Erbe eines beträchtlichen Vermögens geworden. »So viel Geld«, dachte Charles. »Das reicht aus, um bis an mein Lebensende ohne Arbeit herrlich und in Freuden zu leben. Aber genau das will ich nicht. «
Schon seit zwei Jahren war in ihm der Entschluss gereift, das Geld für das Werk des Herrn zu geben. Für ihn war es eine Führung Gottes, dass er gerade jetzt in Chongqing beim Konsul wohnte, um die notwendige Beglaubigung erhalten zu können. Mit der entsprechenden Unterschrift konnte sein Bruder Kinny in England alles Nötige veranlassen.
Noch am gleichen Tag suchte Charles Mr. Bourne auf. Er klopfte an die Tür des Büros des Konsuls. »Herein, mein Lieber, was kann ich für Sie tun«, erschallte es von innen. Charles kam gleich auf den Punkt: »Diese Dokumente waren heute Morgen in der Post. Ich weiß, es klingt komisch, aber ich hatte fast vergessen, dass ich geerbt habe. Könnten Sie bitte ein Schreiben aufsetzen und es beglaubigen, damit mein Bruder die Vollmacht erhält, das Geld in meinem Namen an christliche Organisationen zu verschenken?«
Charles sah, wie Mr. Bourne weiß im Gesicht wurde. Der Konsul rang nach Worten und stotterte schließlich: »Jetzt warten Sie mal, es handelt sich doch um riesige Geldsummen. Ihr Vater war doch ein steinreicher Mann.«
»Ja, das ist richtig«, stimmte Charles zu, »aber zwei Jahre vor seinem Tod fand er zu Jesus Christus, und was ich jetzt tun will, fände er sicher gut. Aber noch wichtiger ist, mein himmlischer Vater findet es gut. Die sicherste Bank ist immer noch bei Gott. Bei ihm vermehrt sich das Vermögen hundertfach. Kennen Sie irgendjemanden, der einen besseren Zinssatz bietet?«
»Sie ... ich ... nein!«, der Konsul wusste nicht, was er sagen sollte. »Aber auf keinen Fall bekommen Sie meine Unterschrift. Sie werden sich die ganze Sache noch einmal nüchtern bei Tageslicht besehen.« Dann schlug er einen versöhnlicheren Ton an. »Alles schön und gut, aber denken Sie doch mal an Ihre Zukunft. Sie müssen etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf haben. Sie wollen doch bestimmt mal heiraten und Kinder haben. Es stimmt, jetzt sind Sie Missionar, aber in zehn Jahren - wer weiß, was dann ist?«
Jetzt verstand Charles die Welt nicht mehr. Nie hatte er damit gerechnet, dass sein Gastgeber ihm solche Steine in den Weg legen würde. »Aber Sie sind verpflichtet, die Papiere zu unterzeichnen. Ich bin britischer Staatsbürger und Sie der amtierende Konsul«, beharrte Charles. Mr. Bourne schlug verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen und stöhnte. »Na gut, aber nur nach zwei Wochen intensiver Bedenkzeit. Wenn Sie es dann immer noch wollen, dann unterschreibe ich, aber daran glaube ich nicht.«
Zwei Wochen warten und dann die Beglaubigung abholen, das gefiel Charles. Zufrieden ging er davon. In den nächsten Tagen überlegte er, wie er das Geld aufteilen konnte. Vier sehr große Beträge zu je 5000 Pfund und einige kleinere Spenden sollten es werden.
Die erste große Summe ging an Dwight L. Moody, durch den sich sein Vater bekehrt hatte. Moody sollte mit dem Geld in Nordindien eine Missionsarbeit beginnen. Hier hatte sein Vater auf Indigofarmen sein Vermögen gemacht. Der zweite Betrag ging an den Deutschen Georg Müller, der im englischen Bristol christliche Waisenhäuser für die Ärmsten der Armen aufgebaut hatte. Die nächste Summe sollte der feurige Prediger George Holland bekommen, der sich um Bedürftige in Whitechapel, einem der Londoner Armenviertel, kümmerte. Die vierte Summe ging an Frederick Booth-Tucker. Er hatte die Heilsarmee nach Indien gebracht und heiratete kurze Zeit später die Tochter von Heilsarmeegründer William Booth. Was dann noch übrig blieb, verteilte Charles an übrige Missionsgesellschaften und Glaubenswerke, deren Arbeit er schätzte.
Die zwei Wochen waren herum, und Charles klopfte wieder an Mr. Bournes Bürotür. Dieser wusste gleich, was Charles wollte. Zähneknirschend und äußerst widerwillig unterschrieb er. Wenn Charles auch seine Meinung nicht geändert hatte, so hatte er sich wenigstens an die zwei Wochen Bedenkzeit gehalten. Am 13. Januar 1887 schickte Charles die Dokumente nach England und war richtig froh, dass sein Geld jetzt auf der »sicheren Himmelsbank« war, wie er es nannte.“
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