2019-11-28

Die verlorene Krone (2)

„Jeder aber, der kämpft, ist enthaltsam in allem; jene freilich, damit sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche“ (1. Kor 9,25)

Als Paulus im Begriff stand, die Welt zu verlassen, konnte er sagen: „Ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage" (2. Tim 4,7.8)! Anstatt den guten Kampf zu kämpfen, bin ich hinter den Gütern dieser Erde hergelaufen, habe Reichtum für meine Familie gesucht und wollte es mir auf dieser Erde bequem machen, wo mein Herr und Meister gekreuzigt worden ist. Ich kann meinen Lauf nicht mit Freuden beenden; für mich gibt es keine Krone der Gerechtigkeit; ich habe Seine Erscheinung nicht lieb gehabt (2. Tim 4,8).

Die Gelegenheit, dem Herrn zu dienen, ist für mich unwiderruflich vorbei. Der Herr nimmt mich in Seiner großen Barmherzigkeit von dieser Erde weg, weil Er weiß, dass ich mich nur noch mehr in die Dinge dieser Erde verstrickt hätte, je länger ich hier geblieben wäre. Ich erkenne darin Seine Güte und Liebe, und ich nehme diese Züchtigung mit Dank an, weil ich weiß, dass sie aus Seiner eigenen Hand hervorkommt.

O lieber Bruder, möchte mein Verlust für Sie zum Gewinn ausschlagen! Ich möchte Sie dringend ermuntern, verwenden Sie Ihre Zeit und alles, was Sie besitzen, treu für den Herrn und für die Heiligen. Ich freue mich, wenn Ihnen an jenem Tage „der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi reichlich dargereicht werden wird".

Ich konnte darauf nichts antworten, weil ich wusste, dass es wahr war; wenn er sonntags einmal den Versammlungen der Kinder Gottes beiwohnte, dann war es nur der Form halber, mit kaltem, unbeteiligtem Herzen, ohne Genuss für seine Seele und ohne Nutzen für die anderen. Umso mehr freute es mich jetzt, dieses volle und schöne Bekenntnis aus seinem Munde zu hören, bevor er diese Erde verließ. Dieses Bekenntnis blieb nicht ohne Wirkung auf meine eigene Seele. Immer, wenn ich in Versuchung war, den Zusammenkünften derer, die den Herrn lieben und Ihm folgen, fernzubleiben, oder in der Absonderung von der Welt nachzulassen, kam mir die verlorene Krone in den Sinn und ließ mich auf der Hut sein vor den Fallen des Feindes.

Was in der Nacht, in der mein Freund verstarb, geschah, hat mich sehr beeindruckt. Im Zimmer waren zwei oder drei Christen. Wenige Augenblicke vor seinem Abscheiden setzte er sich in seinem Bett aufrecht, erhob beide Hände und sagte mit deutlicher Überraschung und Freude: „Der Herr Jesus wird bald den Thron Seines Vaters verlassen und wird in den Wolken kommen und Seine Heiligen zu Sich nehmen! Wachet! O schlafet nicht!" Dann fiel er aufs Kopfkissen zurück und entschlief.

Dieses Zeugnis eines Sterbenden, der ein Eigentum Christi war, ist ernst; einmal im Blick auf das nahe bevorstehende Kommen des Herrn zur Entrückung Seiner Kirche, aber auch in bezug auf unsere Treue Ihm gegenüber, solange Er noch nicht gekommen ist. Natürlich weiß ich gut, dass wir heute nicht mit irgendwelchen neuen Offenbarungen zu rechnen haben, sondern dass alles darauf ankommt, dass wir der geschriebenen und inspirierten Offenbarung Gottes unser volles Vertrauen schenken; und doch habe ich mich manches Mal an die Worte dieses Sterbenden erinnert, wenn ich geistlich müde war, wenn meine Wachsamkeit nachlassen wollte; und diese Worte waren mir nützlich, um den vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren zu laufen, hinschauend auf Jesus (Heb 12,1).

Vieles will uns heute niederdrücken und uns mutlos machen, will unseren Glaubensblick für die vor uns liegende Herrlichkeit trüben; und es gibt eine große Anzahl von Gläubigen, die wohl wissen, dass sie in Christus das ewige Leben haben, die sich aber doch - wie dieser junge Mann - von den Dingen der Erde täuschen lassen; die sich einbilden, sie könnten gleichzeitig beide Welten genießen, die unsichtbare droben und die sichtbare hier unten, die doch den Herrn Jesus verworfen und gekreuzigt hat.

Es ist wahr, unser Heil hängt nicht von unseren Werken ab, sondern von dem, was der Sohn Gottes für uns gewirkt hat; die Schrift offenbart ganz klar das Heil aus Gnaden, durch den Glauben, und beide sind ein Geschenk Gottes (Eph 2,8). „Er hat uns errettet und berufen mit heiligem Rufe, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christo Jesu vor den Zeiten der Zeitalter gegeben, jetzt aber geoffenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesu Christi, welcher den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium" (2. Tim 1,9.10).

Die Schrift sagt uns aber auch ganz klar, dass diejenigen, die errettet sind, durch einen gleichgültigen Wandel, durch einen Mangel an Wachsamkeit blind werden können, indem sie „die Reinigung ihrer vorigen Sünden vergessen" haben (2. Pet 1,9) und so unfähig werden, rückwärts (auf das Kreuz) oder vorwärts (auf den vollen Besitz ihrer Vorrechte) zu blicken. Solche Seelen verlieren viel, sowohl in dieser Welt, als auch in der Herrlichkeit (1. Kor 3,13-15). Das Wort Gottes sagt uns wiederholt, dass der Herr Jesus an jenem Tage allen Seinen Erlösten verschiedene Stellungen in Seinem Reiche geben wird, je nach ihren Werken. „Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten" (2. Kor 9,6).

Der weiße Stein, der neue Name, das verborgene Manna, das sind alles Zeichen einer besonderen Gunst des Herrn für die, die Ihm auf der Erde während Seiner Verwerfung treu geblieben sind. Wie schmerzlich ist der Gedanke, dass Gläubige, die mit einem auferstandenen Christus in der Herrlichkeit zur Rechten Gottes verbunden sind, hier in der Welt sich selbst gefallen wollen, wo Er doch verachtet und verworfen wurde! „Der Kommende wird kommen", aber solche Gläubigen warten nicht auf Ihn. Denken wir doch daran: Der Kommende wird kommen, und wir werden Sein Angesicht sehen und wir werden für immer bei Ihm sein.

„Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dein Werke des Herrn, da ihr wisset, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn" (1. Kor 15,58)! Lieber Leser, verliere nicht deine Krone!


Artikelreihe: Die verlorene Krone

Die verlorene Krone (1)


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