Ein junges Mädchen (4)
„Und sie sprach zu ihrer Herrin: Ach, wäre doch mein Herr vor dem Propheten, der in Samaria wohnt!“ (2. Könige 5,3)
Woher bekam dieses junge Mädchen den Mut, in der Fremde so auf Gott zu vertrauen und so kühn Zeugnis abzulegen? Die Antwort können wir aus diesem Vers entnehmen: Sie war von einem Höchstmaß an Mitgefühl für die Verlorenen bewegt.
Die Art und der Klang ihrer Äußerung zeigt es. Da ist Naaman - der Erzfeind ihres Volkes, der indirekte Grund für ihre Gefangenschaft; und eine Nachricht kommt ihr zu Ohren, dass er ein verlorener Mann ist, zu einem schrecklichen Tod verdammt. Ist sie von Schadenfreude erfüllt? Jubelt sie bei dem Gedanken an sein erbärmliches Ende? Überhaupt nicht.
Sieh, wie sie vor ihrer Herrin steht! Ihre Worte entspringen einem mitfühlenden Herzen: „Ach wäre doch mein Herr vor dem Propheten, der zu Samaria wohnt! Dann würde er ihn von seinem Aussatz heilen.“ Keine Spur von Kälte oder Zynismus - nur Wärme und der Klang von Aufrichtigkeit.
Frei von allen engherzigen Rachegefühlen war ihr Mitgefühl nicht weniger erhaben als die Stärke ihres Vertrauens zu Gott und der Mut, mit dem sie für Ihn zeugte.
Es war mehr als erhaben - es war göttlich. Wie Davids Güte gegenüber Mephiboseth (2. Sam 9,3) war auch ihre Güte „Güte Gottes“. Ihre Worte und ihr Verhalten offenbarten in bemerkenswerter Weise das gütige und gnädige Wesen des Gottes, dem sie diente.
Gut gemacht, junges Mädchen! In den notvollsten Umständen hast du den höchsten und heiligsten Dienst erwiesen, indem du den dargestellt hast, nach dessen Namen du genannt warst. Selbst die größten Diener Gottes können nicht mehr tun als das. Dein Lohn ist im Himmel.
Naaman hat sich vielleicht bei dir bedankt, als er zurückkam, vielleicht auch nicht. Aber selbst wenn dir die Menschen weder ein Wort noch einen Blick der Anerkennung gönnten, hast du doch „deinen süßen Duft nicht an Wüstenluft verschwendet“.
Der Wohlgeruch deiner Worte und deiner Gesinnung wurde von Gott völlig geschätzt, und du wirst aus dem Mund eines anderen, der selbst der vollkommene Diener war, an jenem Tag die Worte hören: „Wohl, du gute und treue Dienerin!“
Wir können die Geschichte des jungen Mädchens auf uns anwenden. Das bedarf keines großen Scharfsinns. Jeder sollte diese Anwendung für sich selbst machen.
Die Tage, in denen wir leben, haben ihre eigenen besonderen Prüfungen, und, trotz der Fassade des Christentums, war der lebendige Glaube an Gott nie auf einem niedrigeren Stand. Und doch ist Gott dem Glauben in einer Weise offenbart, wie es in Naamans Tagen nicht der Fall war. Gott in Christus offenbart - das sollte uns mit dem stärksten Vertrauen zu Ihm erfüllen.
Wir haben seit Pfingsten die Gabe des Heiligen Geistes - das sollte uns Mut geben, denn „der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“ (1. Joh 4,4); und außerdem hat Gott gesagt: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen; so dass wir kühn sagen können: Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“ (Heb 13,5.6).
Und schließlich sind wir auch errettet, um in der Gesinnung mit unserem Erretter eins zu sein und Sein Wesen vor der Welt darzustellen, indem wir „als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen [o. Mitgefühl], Güte, Demut, Milde, Langmut“ anziehen (Kol 3,12).
Für viele von uns mag der Lebensweg im Schatten und in Abgeschiedenheit verlaufen. Wir wollen uns aber nicht davon entmutigen lassen, dass wir unscheinbar sind. In deiner kleinen Ecke kannst du ein helles Licht für Christus sein.
Vorheriger Artikel Nächster Artikel