2024-04-19

Jeder Tag zählt

„So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen.“ (Psalm 90,12)

Ich las Senecas Brief über Zeitersparnis und stieß auf diese Erkenntnis: »Wir täuschen uns nämlich darin, dass wir den Tod voraussehen: Ein großer Teil von ihm ist schon vorübergegangen. Was immer an Zeit in der Vergangenheit ist, der Tod hält es in seinen Händen.«

Diesen düsteren Satz habe ich nicht von mir abschütteln können. Er ist wahr. Der Tod ist die Wegnahme zukünftiger Tage auf der Erde. Aber werden nicht unsere zukünftigen Tage einer nach dem anderen täglich unwiderruflich von uns weggenommen?

»Was immer an Zeit in der Vergangenheit ist, der Tod hält es in seinen Händen.« Zwei Tage kann man nicht leben, den gestrigen und den Tag nach unserem Tod. Gestern ist unwiederbringlich vorbei. Dieser Tag ist gleichsam zu Stein erstarrt. Man kann die Vergangenheit nicht ändern. Etwas wird heute sterben, nämlich alle heutigen Gelegenheiten.

[…]

Wir stehen sozusagen am offenen Grab der Vergangenheit, das einen Tag nach dem anderen verschluckt, bis es uns völlig aufgezehrt hat. »Was immer an Zeit in der Vergangenheit ist, der Tod hält es in seinen Händen.«

Aber jemand wird einwenden: »Da gibt es doch einen Unterschied. Die Tage, die uns die Vergangenheit wegnimmt, sind wenigstens gelebt worden. Aber die Tage, die uns der Tod wegnimmt, liegen in der Zukunft und sind noch nicht gelebt worden.« Das stimmt. Und es führt zum letzten Aspekt, der zu diesem Thema passt.

Am letzten Freitag war das Wort zum Wecken unserer Familie um 6.30 Uhr Kolosser 4,5: »Wandelt in Weisheit gegenüber denen, die draußen sind, die gelegene Zeit auskaufend.« Kaufen wir, was uns schon gehört? Nein. Wir kaufen, was uns angeboten wird.

Jeder Tag steht zum Verkauf für jeden, der ihn kaufen will. Wenn wir ihn nicht kaufen, verlieren wir ihn - für immer. Und das wäre genauso gut, als hätten wir ihn gar nicht erlebt. Wir haben ihn gleichsam aus den Händen gleiten lassen und wissen doch zugleich, dass das Morgen ebenfalls nicht in unserer Hand ist.

Wenn ein nicht ausgekaufter Tag im Dunkel der Vergangenheit verschwindet, dann ist es, als würde der Tod die Zukunft aufzehren. O wie viele Tage werden vergeudet! Seneca schreibt dazu: »Wen wirst du mir zeigen, der der Zeit irgendeinen Wert beimisst, der den Tag schätzt, der einsieht, dass er täglich stirbt?«

Gottes Weisheit lautet: Kaufe den Tag aus! Kaufe die Stunde aus! Kaufe den Augenblick aus! Gib aus, was immer nötig ist, um die Stunde zu »kaufen«, und spanne sie vor den Wagen deines höchsten, ewigen Ziels - der Verherrlichung Gottes.

J.P.


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