Jesus am Schatzkasten (3)
„Und [Jesus] setzte sich dem Schatzkasten gegenüber und sah zu, wie die Volksmenge Geld in den Schatzkasten legt; und viele Reiche legten viel ein. Und eine arme Witwe kam und legte zwei Scherflein ein, das ist ein Cent. Und er rief seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben. Denn alle haben von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrem Mangel, alles, was sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ (Mk 12,41-44)
Ich habe vorhin gesagt, dass die Ursache dieses Mangels an völliger Hingebung darin liegt, dass wir den Herrn so wenig kennen. Der Apostel Paulus kannte Ihn so, dass er alles für Schaden und Dreck achtete, wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn. Es gab nichts Köstlicheres, nichts Höheres mehr für ihn, als Christus mehr und mehr zu erkennen und in Ihm erfunden zu werden; und deshalb finden wir auch in ihm eine Gesinnung, die der des Herrn Jesus Selbst entspricht. Er schreibt an die Philipper: „Wenn ich aber auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen. Gleicherweise aber freuet auch ihr euch und freuet euch mit mir" (Phil 2,17.18)! Und an die Korinther: „Ich will aber sehr gern alles verwenden und völlig verwendet werden für eure Seelen, wenn ich auch, je überschwenglicher ich euch liebe, umso weniger geliebt werde".
Er suchte in Wahrheit nichts mehr für sich selbst, sondern dachte nur an die Verherrlichung des Herrn und an das Wohl der Seinigen. Er war bereit, sein Leben hinzugeben, selbst für die, deren Liebe gegen ihn erkaltet war. Welch ein Herz für Christus, welch eine völlige Hingebung! Möchten auch wir den Herrn so kennen, wie er Ihn kannte, damit eine solche Gesinnung auch in uns gefunden wird! Wieviel mehr würde der Herr verherrlicht werden, wieviel glücklicher würde auch unser gegenseitiger Verkehr sein, und wieviel gesegneter unser Zusammenkommen, und namentlich das Zusammenkommen am Tische des Herrn, wenn unsere Herzen mehr mit Liebe zu Dem erfüllt wären, der uns zuerst geliebt hat!
An Seinem Tisch werden wir in besonderer Weise an Seine Liebe zu uns und an Seine Hingabe erinnert; dort ist daher auch vor allem der Platz, wo wir Ihm unsere geistlichen Gaben, die Opfer des Lobes, darbringen. Doch wie oft sind wir selbst damit gleichgültigen, irdischen Gedanken beschäftigt, wie oft werden unsere Loblieder nicht von Herzen gesungen, und wie wenig innere Beteiligung findet sich im allgemeinen! Kann der Herr daran Seine Freude finden, kann es Sein Herz befriedigen, wenn wir das Gedächtnismahl Seiner Liebe und Seines Todes in der richtigen äußern Form feiern? Sicher nicht.
Lasst uns nicht vergessen, dass der Herr Selbst nach Seiner Verheißung gegenwärtig ist, und wie Er damals am Schatzkasten jede Gabe kannte und beurteilte, so ist auch jetzt an Seinem Tische jedes Herz vor Ihm völlig offenbar. Er sieht jeden Gedanken und weiß, ob unsere Dankgebete von Herzen kommen, und ob unsere Loblieder der wahre Ausdruck unserer Gefühle für Ihn sind. Wie ernst ist dieser Gedanke! Wie manche Gabe mag da nicht völlig erfunden werden, weil der Herr nicht der einzige köstliche Gegenstand für das Herz ist! Wie sehr sollte uns dies demütigen und uns veranlassen, in Seiner Gegenwart unsere Herzen zu prüfen, so oft wir an Seinen Tisch kommen!
Auch im täglichen Leben sollten wir innigen Umgang mit dem Herrn haben; auch da will Er unseren Herzen köstlich sein. Denn wenn dies nicht der Fall ist, wenn unsere Herzen im Lauf der Woche Ihn vergessen und mit weltlichen Gedanken erfüllt sind, so ist es unmöglich, dass wir am Tag des Herrn Ihm wahres Lob und wahre Anbetung darbringen. Wir können nicht am Sonntagmorgen den Zustand unserer Herzen ändern, wie wir für unsern Leib die Alltags- mit den Sonntagskleidern vertauschen.
Dem Volk Israel gebot Gott bei der Einsetzung des Passahfestes, dass sie sieben Tage lang nichts Gesäuertes essen sollten, und selbst in ihren Häusern durfte während dieser Zeit kein Sauerteig gefunden werden. Dies ist auch für uns sehr beachtenswert in bezug auf das Abendmahl. Wir sollten nicht nur aus unseren Herzen, sondern auch aus unseren Häusern alles Böse entfernen und eine innige Gemeinschaft mit dem Herrn pflegen. Dann würde am Sonntagmorgen der Herr mit Freude in unserer Mitte weilen können, und unsere Gaben, die wir Ihm an Seinem Tisch darbringen, würden für Sein Herz ähnlich köstlich sein, wie damals die Gabe der armen Witwe.
Und sicher, wenn unsere Herzen so in inniger Gemeinschaft mit dem Herrn stehen und in Liebe für Ihn schlagen, wird auch Sein Werk und das Wohl der Seinigen uns nicht gleichgültig sein. Wir werden es als ein großes Vorrecht betrachten, die Not unserer Brüder und Schwestern, der Hausgenossen Gottes, nach Kräften zu lindern und den Fortgang Seines Werkes, die Ausbreitung Seiner Wahrheit, fördern zu helfen. So wie unser Mund überfließen wird von Lob und Dank und Anbetung, wird auch unsere Hand sich gern öffnen, um sowohl dem Dürftigen darzureichen, als auch das Werk des Herrn zu unterstützen.
Wir werden fröhliche Geber sein, und einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wir werden in der Ermahnung des Apostels: „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Des Wohltuns aber und Mitteilens vergesset nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen" (Heb 13,15.16), - nicht eine drückende, schwer zu erfüllende Vorschrift finden, sondern mit Dank gegen Gott jede Gelegenheit benutzen, die Er uns gibt, um Ihm solche wohlgefälligen Opfer darzubringen. Der Herr hat uns in der Geschichte von der armen Witwe am Schatzkasten ein Beispiel vor Augen gestellt, wie auch der ärmste Bruder, die ärmste Schwester Sein Herz erfreuen kann. Er fordert nicht große Summen von dem Armen.
Er weiß, was jeder besitzt, und „wenn die Geneigtheit da ist, so ist einer annehmlich, nach dem er hat, und nicht, nach dem er nicht hat" (2. Kor 8,12). Die Gabe wird sich unter allen Umständen nach der Liebe meines Herzens richten; und der Herr sieht das Herz an. Er beurteilt uns nach Seiner vollkommenen Weisheit und Einsicht.
Der Herr gebe in Seiner Gnade, dass die ernste und doch so liebliche Geschichte von der armen Witwe und ihren beiden Scherflein zu unserem Herzen redet! Möchten auch wir ein ganzes, ungeteiltes Herz für Ihn haben und der Worte des Apostels eingedenk bleiben: „Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten" (2. Kor 9,6)!
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