2019-11-19

Jesus am Schatzkasten (2)

„Und [Jesus] setzte sich dem Schatzkasten gegenüber und sah zu, wie die Volksmenge Geld in den Schatzkasten legt; und viele Reiche legten viel ein. Und eine arme Witwe kam und legte zwei Scherflein ein, das ist ein Cent. Und er rief seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben. Denn alle haben von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrem Mangel, alles, was sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ (Mk 12,41-44)

Unter den vielen Reichen nun kommt auch eine arme Witwe und wirft zwei Scherflein in den Schatzkasten. Was waren zwei Scherflein für die Unterhaltung des Tempels? Was waren sie gegenüber den großen Gaben der Reichen? Nach dem Urteil der Menschen so gut wie nichts. Aber für den Herrn war diese kleine Gabe so wertvoll, ja, so köstlich für Sein Herz, dass Er Seine Jünger herbeiruft, um sie darauf aufmerksam zu machen. „Diese arme Witwe", sagt Er, „hat mehr hineingeworfen als alle; denn alle haben von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese aber hat von ihrem Mangel, alles, was sie hatte, hineingeworfen, ihren ganzen Lebensunterhalt".

Der Herr kannte ihre Umstände; Er wusste, dass es ihr ganzer Lebensunterhalt war. Sie besaß nichts anderes, und doch gab sie alles hin für den Herrn. Wer hätte es ihr verargen können, wenn sie gedacht hätte: „Ich kann nichts für den Herrn und Seinen Tempel tun; ich habe nur diese zwei Scherflein; die kann ich nicht entbehren; wovon soll ich morgen leben, wenn ich heute alles hingebe? Ich möchte ja gewiss gern etwas in den Schatzkasten werfen, aber ich muss doch warten, bis Er mich dazu in den Stand setzt"? Ja, wer hätte es ihr verargen können, wenn solche Gedanken in ihrem Herzen gewesen wären? Die Liebe zu ihrem Herrn ließ solche Überlegungen jedoch gar nicht aufkommen. Sie machte die arme Witwe bereit, rückhaltlos alles dem Herrn zu opfern, was sie besaß.

Auch ist es nicht ohne Bedeutung, dass uns gesagt wird, dass sie zwei Scherflein besaß. Wie natürlich und erklärlich wäre es gewesen, wenn sie gedacht hätte: „Ich will eines davon dem Herrn geben und eines für meinen Unterhalt behalten". Und wenn sie es so gemacht hätte, so würde selbst dann ihre Gabe wohl noch weit größer gewesen sein als die der Reichen. Aber nein; sie gab sie beide; sie hatte ein ganzes Herz für den Herrn und für Sein Haus. Wie schön ist dieses, und wie erquickend muss es für das Herz des Herrn Jesus gewesen sein, in dieser selbstsüchtigen Welt eine so völlige Hingebung zu sehen! Möchten auch wir mehr dieser Witwe gleichen und bei unsern Gaben für den Herrn und für Sein Werk ein weites Herz haben, und nicht vergessen, dass wir vor Seinem Auge völlig offenbar sind!

Der Grund, weshalb wir mit unseren Gaben oft so karg sind, liegt darin, dass unsere Herzen den Herrn so wenig kennen, dass wir so wenig Seine innige Gemeinschaft suchen und unsere Herzen an der Liebe Seines Herzens erwärmen. Aus demselben Grunde vermögen wir auch so wenig unser Leben Ihm völlig zu weihen. Aber der Herr ist nicht mit einer halben Hingebung zufrieden; Er will unser ganzes Herz haben. Er ist nicht damit zufrieden, wenn in unserm äußeren Leben alles in Ordnung ist und keiner unserer Mitmenschen uns tadeln kann.

Er lässt in dem ersten Sendschreiben in der Offenbarung der Versammlung in Ephesus schreiben, dass Er ihre Werke, ihre Arbeit und ihr Ausharren kenne, dass Er wisse, dass sie um Seines Namens willen gelitten hätte. Aber obgleich in dieser Versammlung äußerlich alles in schönster Ordnung war und wir sicherlich nichts zu tadeln gefunden hätten, sah der Herr doch, dass die Herzen der Gläubigen nicht mehr so warm für Jesus schlugen, wie im Anfang, und darum sagte Er tadelnd: „Aber ich habe wider dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße!" Der Herr kann nur dann zufrieden sein, wenn Er unsere ganze Liebe besitzt. Und in der Tat, Er hat Anspruch darauf.

Er hat Sein Leben für uns hingegeben, ja, alles, was Er hatte; Er dachte nicht daran, etwas für sich zu behalten. Wir hatten einen solchen Wert für Sein Herz, dass Er um der vor Ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldete und der Schande nicht achtete. Der Herr Selbst teilt uns dies in den Gleichnissen von dem Schatz im Acker und von der kostbaren Perle mit. In beiden heißt es, nachdem Er das, was Er suchte, gefunden hatte: „Er ging vor Freude darüber hin und verkaufte alles, was er hatte", um jenen Acker bzw. jene kostbare Perle zu kaufen. Ja, der Herr gab alles hin, um uns zu besitzen. Welch ein wunderbarer Gedanke!

Er, der Sohn Gottes, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, Er, der bei Gott und Gott Selbst war, entäußert Sich Seiner ganzen Herrlichkeit und geht auf dieser Erde umher als der Diener aller, um schließlich das schreckliche Gericht Gottes über die Sünde auf Sich zu nehmen und Sein Leben zu lassen. Und für wen tat Er dies? Für wen bezahlte Er einen so überaus hohen Preis? Nicht für solche, die Ihn liebten und ehrten, sondern für arme, feindselige Sünder, für den Schreiber und Leser dieser Zeilen. Ja, Er hat in Wahrheit Anspruch darauf, dass wir uns Ihm völlig hingeben, unser Leben Ihm völlig weihen.

Aber ach! wie wenig erfüllen die Seinigen oft diese Seine gerechten Ansprüche! Es mag sein, dass unser Wandel ordentlich ist, dass wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, dass wir in unserm häuslichen und geschäftlichen Leben vor den Menschen ein gutes Zeugnis haben, ja, dass wir bereit sind, gelegentlich auch etwas für den Herrn zu tun - aber wie wenig ist Er der einzige köstliche Gegenstand für unser Herz! Wie wenig können wir mit dem Psalmisten sagen: „Wen habe ich im Himmel? Und neben dir habe ich an nichts Lust auf der Erde!"

Unbekannt


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