2025-09-30

Das nasse Auge (1)

„Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und hingestreckt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (Mt 9,36

„Und als er sich näherte und die Stadt sah, weinte er über sie und sprach: Wenn du doch erkannt hättest …, was zu deinem Frieden dient!“ (Lk 19,41.42

Man stelle sich diese bewegende Szene vor. Ein erwachsener Mann nähert sich der riesigen Stadt Jerusalem - und fängt plötzlich bitterlich an zu weinen! Es lässt Ihn nicht kalt, dass die Bewohner bald sterben und ohne Gott in die Ewigkeit gehen werden. Diese große Not empfindet Er so intensiv, dass Er Tränen der Trauer vergießt.  

Szenenwechsel: Ein Christ geht durch die Straßen seiner Stadt und begegnet hunderten Menschen, die ohne Christus sterben. Er geht vorbei, damit seine Shoppingtour nicht unterbrochen wird. Seine Freunde sind nicht errettet, doch nie hören sie eine Warnung vor der Hölle. Dass sie dort eine Ewigkeit verbringen werden, bekümmert ihn offensichtlich kaum.  

Welche der beiden Herzenshaltungen lässt sich bei dir finden? Hast du jemals um Ungläubige geweint, weil es dir so bewusst geworden ist, wo sie nach dem Tod ihre Augen wieder aufschlagen werden?  

Der Herr war „innerlich bewegt“, als Er die Volksmengen sah. Wörtlich bedeutet dieser Ausdruck, dass sich „seine Eingeweide umdrehten“. Ihm drehte sich also der Magen um, als Er das Elend der Menschen um sich sah, alles andere also als ein oberflächliches Mitempfinden. Auch Paulus schreibt, dass er mit Weinen an die dachte, die Feinde des Kreuzes Christi sind (Phil 3,18).  

Es folgen einige bewegende Zitate über die Tränen des Seelengewinners: 

  • Oswald Sanders erzählt: „Der tapfere Paulus flehte die Menschen Tag und Nacht unter Tränen an, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Als man einen jungen Missionar, den man nach Hause geschickt hatte, weil er krank war, einmal fragte, warum er so sehr darauf bedacht sei, wieder aufs Missionsfeld zu kommen, sagte er: ‚Weil ich einfach nicht ruhig schlafen kann, wenn ich an die draußen denke.‘ O, diese tränenerfüllten Augen! Diese schlaflosen Augen, die fortwährend die drohende Gefahr und Verdammnis der Ungeretteten sehen! Kommen uns die Tränen noch unwillkürlich, wenn wir unsere Städte anschauen - angefüllt mit Sünde, Leid und Schande? Vergeht unseren Augen der Schlaf, wenn wir an die Seelen um uns herum denken? Wie kalt und hartgesotten und erstarrt sind unsere Herzen! Als William Burns, der so Wichtiges bei der Aufbauarbeit in der Gemeinde von Robert Murray M’Cheyne und später in China geleistet hat, seinen Dienst aufnahm, traf seine Mutter ihn einmal in einer Gasse in Glasgow. Sie sah ihn weinen und fragte: ‚Was sollen diese Tränen?‘ Er antwortete: ‚Ich muss angesichts der vielen verlorenen Leute weinen, die sich hier durch die Straßen drängen.‘“  

  • Charles H. Spurgeon drückt es ähnlich aus: „Wenn ihr nie schlaflose Nächte habt, wenn ihr nie Tränen weint, wenn eure Herzen nie so angeschwollen sind, als wollten sie bersten, dann braucht ihr nicht zu erwarten, eifrig genannt zu werden. Ihr kennt nicht den Beginn echten Eifers, denn der Grund christlichen Eifers liegt im Herzen. Das Herz muss schwer von Betrübnis sein und gleichzeitig, in heiligem Brand entfacht, höherschlagen. Das Herz muss ein vehementes Verlangen danach haben, ständig um Gottes Ehre zu ringen, denn anders können wir nie etwas wie diesen Eifer erreichen, von dem Gott gern möchte, dass wir ihn kennen.“ [...]

  • Sehr bewegend ist auch ein Erlebnis im Leben von John Welch, dem schottischen Prediger, der in seinen Gebeten unermüdlich für die Verlorenen gerungen hat. Wie so oft betete er nachts stundenlang für ihre Errettung, bis seine Frau sich darüber beklagte, dass er dabei weinend am Boden lag. Er antwortete: „Oh Frau, ich habe die Verantwortung für 3000 Seelen, und ich weiß nicht, wie es um viele von ihnen steht!“ 

Das Auge des wahren Seelengewinners ist nass. 

Vielleicht würden wir mehr Frucht sehen, wenn es mehr von einer tiefen Not für Seelen wäre, die uns Tränen in die Augen treibt. Manchmal mag es sein, dass, während wir uns über die Herzenshärte unserer Zuhörer beschweren, unsere Herzenshärte und unsere schwache Wahrnehmung der Realität von ewigen Dingen die wahren Gründe für Ergebnislosigkeit sind.“ (Hudson Taylor, 1832-1905) 

Impulse zur Selbstreflexion
  • Warum berichtet uns der Geist Gottes von dem Weinen des Herrn Jesus?  

  • Warum ist es für die Verkündigung des Evangeliums wichtig, aufrichtig Mitleid mit den Mitmenschen zu haben?  

  • Hast du schon einmal tief mitempfunden, dass Menschen in deinem Umfeld auf dem Weg ins Verderben sind? 

  • Bete dafür, dass Gott durch Seinen Geist dein Mitempfinden für Ungläubige wecken kann! 

 

A.Sch. / C.Sb. / M.K.


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