2021-01-05

Die Opferung Isaaks (2)

„Und Abraham stand des Morgens früh auf..." (1. Mose 22,3).

Abraham zögerte nicht; er gehorchte pünktlich. „Ich habe geeilt und nicht gesäumt, deine Gebote zu halten" (Ps 119,60). Der Glaube bleibt niemals stehen, um die Umstände zu betrachten oder die Folgen zu berechnen; er schaut nur auf Gott und sagt, wie einst der Apostel: „Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leibe an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, auf dass ich Ihn unter den Nationen verkündigte, ging ich alsbald nicht mit Fleisch und Blut zu Rate" (Gal 1,15.16).

Sobald wir uns mit Fleisch und Blut beraten, sind unser Zeugnis und unser Dienst geschwächt; denn Fleisch und Blut können nicht gehorchen. Wollen wir glücklich sein und Gott verherrlichen, so müssen wir früh aufstehen und durch die Gnade den Befehl Gottes ausführen; und wenn das Wort Gottes die Quelle unserer Tätigkeit ist, so wird es unserem Handeln Kraft und Beständigkeit verleihen. Handeln wir aber auf einen bloßen Antrieb oder auf eine Einwirkung hin, so wird unsere Tätigkeit aufhören, sobald dieser Antrieb schwindet.

Zweierlei ist zu einem stetigen Wandel und tätigen Leben erforderlich, nämlich: der Heilige Geist als Kraft, und das Wort Gottes als untrüglicher Führer. Mit beidem war Abraham gesegnet; er hatte von Gott nicht nur die Kraft empfangen, um zu handeln, sondern auch das Gebot dazu. Sein Gehorsam und seine Ergebenheit in den Willen Gottes trugen einen ganz entschiedenen Charakter, und das ist von großer Wichtigkeit.

Man begegnet oft vielem, was den Schein von Ergebenheit an sich trägt, das aber in Wirklichkeit nichts anderes ist als die unbeständige Tätigkeit eines Willens, der nicht der mächtigen Wirkung des Wortes Gottes unterworfen ist. Alle solch scheinbare Ergebenheit ist wertlos; und der Geist, aus welchem sie hervorgeht, verfliegt sehr bald. Wir können wohl als Grundsatz feststellen: jede Ergebenheit, welche die von Gott bezeichneten Grenzen überschreitet, ist verdächtig; erreicht sie diese Grenzen nicht, so ist sie mangelhaft; strömt sie außerhalb derselben, so geht sie Irrwege.

Ich gebe zu, dass es außergewöhnliche Wirkungen und Wege des Geistes Gottes gibt, in denen Er seine Unumschränktheit behauptet und sich über die gewöhnlichen Grenzen erhebt; allein in einem solchen Fall wird das Zeugnis, dass es eine göttliche Tätigkeit ist, kräftig genug sein, um jedes geistliche Gemüt zu überzeugen. Solche Ausnahmefälle widersprechen auch in keiner Weise der Wahrheit, dass wahre Ergebenheit stets auf einem göttlichen Grundsatz ruht und durch einen göttlichen Grundsatz geleitet wird. Unleugbar war das Opfern eines Sohnes eine Handlung von außergewöhnlicher Ergebenheit; allein wir müssen uns daran erinnern, dass dasjenige, was dieser Handlung in den Augen Gottes ihren wahren Wert verlieh, in der Tatsache bestand, dass diese Handlung sich auf den Befehl Gottes gründete.

Dann gibt es noch eine andere Sache, welche mit wahrer Ergebenheit in Verbindung steht, und das ist ein Geist der Anbetung. „Ich und der Knabe wollen bis dorthin gehen und anbeten" (V. 5). Nicht auf den Dienst, wie wichtig derselbe auch sein mag, hält der wahrhaft ergebene Diener seine Augen gerichtet, sondern auf den Herrn, und das wird ohne Zweifel einen Geist der Anbetung wachrufen. Wenn ich meinen Herrn nach dem Fleische liebe, so wird’s mich wenig kümmern, ob ich seine Schuhe putze oder seinen Wagen fahre; aber wenn ich mehr an mich als an ihn denke, so werde ich lieber Kutscher als Schuhputzer sein.

Genau so verhält es sich in dem Dienst des himmlischen Herrn. Wenn ich nur an Ihn denke, wird es für mich gleich sein, ob ich Gemeinden stifte oder Zelte mache. Wir können dasselbe im Dienst der Engel bemerken. Es macht für einen Engel keinen Unterschied, ob er ausgesandt wird, ein Heer zu vernichten, oder irgend einen Erben des Heils zu beschirmen; nur der Herr beschäftigt seine Gedanken. Wenn, wie jemand sehr richtig bemerkt hat, zwei Engel von Himmel herabgesandt würden, der eine, um ein Reich zu regieren, und der andere, um die Straßen zu kehren, so würden sie sich sicher nicht über ihre bezügliche Arbeit streiten. Und wenn das von den Engeln gesagt werden kann, wieviel mehr sollte es von uns wahr sein!

C.H.M.


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