2020-01-26

Leiden um mitleiden zu können

 „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?“ (Johannes 18,11).

Diese Worte Jesu waren eine größere Tat, als die Stillung des Sturms oder die Auferweckung von Toten.

Propheten und Apostel konnten große Wunder vollbringen, aber sie konnten nicht immer den Willen Gottes tun und erleiden. Den Willen Gottes tun und in jeder Situation zu bejahen, ist die erhabenste Form des Glaubens.

Wenn alle Erwartungen eines jungen Lebens für immer zunichte gemacht werden, wenn wir täglich eine schwere Last zu tragen haben und keine Erleichterung sehen, wenn wir von der Armut geplagt werden und doch gern unsere Lieben versorgen möchten, wenn wir von irgendeiner unheilbaren Krankheit heimgesucht werden, wenn wir alle unsere Lieben nacheinander verlieren und schließlich dem harten Kampf des Lebens allein ausgesetzt sind — wenn wir in einer solchen Schule der Züchtigung sagen können: "Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?" — dann ist das Glaube in höchster Vollendung. Großer Glaube zeigt sich nicht so sehr in der Fähigkeit zu handeln, als zu leiden.

Um einen mitleidenden Gott zu haben, brauchen wir einen leidenden Heiland. Echtes Mitgefühl mit andern entsteht nur in dem Herzen dessen, der ebenso gelitten hat. Wir können andern nichts Gutes tun, wenn es uns nichts kostet, und unsere Leiden sind der Preis, den wir für unsere Fähigkeit, mitleiden zu können, zahlen müssen. Wer helfen will, muss zuerst leiden, muss selbst irgendwo und irgendwie gekreuzigt worden sein.

Unbekannt


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