2019-06-25

Missionare sind zum Leiden bestimmt… Darf ich mir dann noch eine Klimaanlage kaufen?

Esta war lange Zeit mein am strengsten gehütetes Geheimnis.

Esta kommt viermal pro Woche zu mir nach Hause. Sie spült mein Geschirr, wäscht meine Wäsche (und bügelt sie sogar!), putzt meinen Boden und schrubbt Fingerabdrücke von den Wänden. Sie schneidet Obst auf, putzt die Fenster und macht Tortillas. Und obwohl all meine Freunde in Tansania von Esta wissen (weil sie ihre eigenen Haushaltshilfen haben), wollte ich nicht, dass jemand in den Staaten etwas von ihr erfährt.

Ich hatte noch weitere Geheimnisse, wie z. B. die Klimaanlage in meinem Schlafzimmer, den Generator in meiner Garage und unsere Schnorchelausflüge in einem tropischen Paradies.   

Ich dachte, wenn meine amerikanischen Freunde und Unterstützer etwas von diesen Dingen wüssten, würden sie denken, ich sei verdorben. Dass mein Leben viel zu leicht sei und dass ich, wenn sie ehrlich wären, einfach etwas - würden sie sich das zu sagen trauen? - faul war. Die reichen Frauen von Beverly Hills könnten vielleicht mit einem solchen Lebensstil davonkommen, aber verabschiede dich von dem Gedanken, dass ein Missionar jemanden anstellen könnte, der sein Geschirr abspült.

Schließlich weiß jeder, dass Missionare leiden müssen.

Und überhaupt: Hast du nicht die Kosten überschlagen? Dein Kreuz aufgenommen? Dich selbst verleugnet? Alles um des Rufes willen verlassen? Lässt du nicht Familie, Freunde und Starbucks zurück, um den großen Auftrag zu erfüllen? Ist das schließlich nicht der Grund, warum du auf einen Sockel gestellt und dein Bild an jedermanns Kühlschrank gepinnt wurde? Damit du dem Gipfel des freudigen Leidens nacheifern könntest?

Wenn du da stehst, mitten auf der Gemeindebühne, umgeben von hunderten Menschen, die für dich beten, Flugtickets in der Hand, deine irdischen Besitztümer in Taschen zusammengepackt, von denen jede exakt 49,9 Pfund wiegt; dann fühlst du dich bereit, zu leiden. Ja! Ich bin bereit, alles zu verlassen!

Und dann kommst du in deinem lang ersehnten Land an und stellt fest, dass du, um die Jugendgruppe zu beherbergen, ein großes Wohnzimmer brauchst. Und um die Übersetzungsarbeit zu leisten, benötigst du Strom, was bedeutet, dass du einen Generator brauchst. Und um die Sprache zu lernen, musst du jemanden einstellten, der dein Geschirr abspült und dir bei der Kinderbetreuung hilft.

Plötzlich findest du dich selbst in einem größeren Haus wieder als in deinem Heimatland, aber du schämst dich, Bilder davon auf Facebook zu stellen. Du willst deinen Unterstützern gegenüber nicht zugeben, dass du 1000$ für einen Generator ausgegeben hast, und es darf bloß niemand herausfinden, dass du deine Wäsche nicht selbst bügelst!

Du stellst sogar fest, dass es eine Art Konkurrenzkampf unter Missionaren selbst gibt. Ich hatte mit einigen Freunden eine nette Unterhaltung darüber, wer von uns dem wahren „Missions-Preis“ verdiente. Ich lebe in einem afrikanischen Land, aber ich bin ein Stadtbewohner. „Du lebst auf dem Dorf, ohne fließend Wasser und mit einem Plumpsklo“, sagte ich einer Freundin. Sie antwortete: „Ja, aber was ist mit Michelle? Sie hat zwei Jahre lang draußen auf Holzkohlen gekocht.“ Offenbar bist du ein umso besserer Missionar, je mehr du leidest. Oder umso gottesfürchtiger. Wahrscheinlich beides.

Aber ist diese Einstellung wirklich schriftgemäß? Ja, Jesus spricht davon, dass man nicht Reichtum anhäufen und Geld mehr lieben soll als Ihn. Wir sind berufen, unsere Wünsche um des Evangeliums willen zu verleugnen. Doch es sollte nicht darum gehen, Leiden um der Leiden willen zu wählen, als ob Leiden gleichbedeutend wären mit größerer Gottesfurcht. Es geht darum, sich für wohlüberlegtes Handeln zu entscheiden, und die Leiden genauso wie die Vorzüge anzunehmen, die damit einhergehen.

Wenn Gott dich berufen hat, in der Oberschicht Indiens zu wirken, dann musst du wie sie in einer luxuriösen Wohnung leben. Wenn Gott dich berufen hat, unter den Küstenstämmen Tansanias zu arbeiten, dann musst du leben wie sie, in einem einfachen Betonhaus mit einem Plumpsklo. Jeder Lebensstil bringt seine eigenen Herausforderungen - und Segnungen - mit sich.

Wenn Annehmlichkeiten oder Luxusartikel den Ruf Gottes begleiten, sollten wir uns schuldig fühlen? Oder sollten wir sie nicht vielmehr als eine Gelegenheit betrachten, Dinge verantwortungsvoll zu verwalten? Auch wenn Esta in Vollzeit für mich arbeitet, bedeutet das nicht, dass ich herumsitze und fernsehe, während sie meine Böden wischt. Es bedeutet, dass ich zusätzliche Zeit zum Dienst habe. Es bedeutet, dass ich freudig mein Haus für die Jugendgruppe, Übernachtungsgäste, große Abendessen öffne, weil ich weiß, dass ich jemanden habe, der mir bei der Arbeit hilft. Da ich eine Klimaanlage in meinem Schlafzimmer habe, bedeutet dies, dass ich weit besseren Schlaf bekomme als die anderen um mich herum. Wie werde ich dieses Privileg verwalten?

Gott beurteilt unsere Gottesfurcht nicht danach, wie viel wir gelitten haben; Er sieht in unsere Herzen. Haben wir Bequemlichkeit oder gar Leiden zu einem Götzen gemacht? Bestehen wir auf einen Lebensstil, der uns hilft, mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen, oder auf einen, der uns hindert? Haben wir eine Absicht hinter dem Lebensstil, für den wir uns entschieden haben? Nutzen wir die Gaben, die uns Gott geschenkt hat, um uns mit Bequemlichkeiten zu verwöhnen, oder um unsere Fruchtbarkeit zu vermehren? Das sind die Herzensfragen, die weitaus wichtiger sind als der äußere Eindruck des Leidens.

Wir zitieren oft: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“, aber wir versäumen es, den Zusammenhang dieses Verses zu berücksichtigen. „Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluss zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden.“ Und was ist das Geheimnis? „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.“

Als Missionare sind wir in der Regel darauf vorbereitet, Nöte zu haben und Mangel zu leiden. Wir wissen, dass Christus uns in Zeiten von Heimweh, furchteinflößenden Krankheiten und fehlenden Sanitäranlagen innerhalb der Wohnung kräftigen wird. Aber wir können auch lernen, zufrieden zu sein, wenn wir Urlaub an der historischen Burg machen oder gebügelte Wäsche ordentlich in unseren Schränken hängt und der Generator summt. Lasst uns weder Komfort lieben, noch unnötige Märtyrer sein.

Wenn deine Beweggründe gut sind, dann geh und kauf dir die Klimaanlage. Nutze sie zur Ehre Gottes.

Unbekannt


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