2011-06-15

Wie wir über Christi Diener sprechen

„Ich schreibe Dir so schnell zurück, weil ich völlig mit Dir übereinstimme, was die üble Nachrede angeht. In letzter Zeit wurde mir immer wieder beklagenswerte Fälle falscher und sogar beleidigender Gerüchte vorgetragen. Ich glaube ernsthaft, dass die Bereitschaft, mit der diese Gerüchte aufgenommen und verbreitet werden zu einem echten Übel wird, das den Herrn nötigen wird, richtend einzuschreiten, wenn wir nicht Buße tun. Ich lehne es schon seit längerer Zeit grundsätzlich ab, einem Gerücht überhaupt zu glauben, bevor ich es nicht selbst nachgeprüft habe. Nebenbei bemerkt nimmt uns 2.Mose 23,1 deswegen in die Verantwortung.“

Der Brief, der diesen Auszug enthielt, wurde wie folgt beantwortet:

Ich wünschte, es gäbe mehr Eifer, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens. Ich wünschte ernstlich, dass alle dienenden Brüder vom Herrn und Seinen heiligen Aposteln lernen würden, liebevoll übereinander zu denken und in würdiger Weise übereinander zu schreiben und zu sprechen und somit Ihre Überlegenheit gegenüber allem, was das eigene Selbst betrifft zu zeigen. So dass sie gemäß der höheren Berufung durch den Herrn, Sein Wort und Seinen Geist zu Seiner Ehre handeln.

Ich bin überzeugt, dass wir darin leider oft gefehlt haben, den guten Namen des Bruders gegen eine Welt der Lästerer und Kritiker hochzuhalten. Indem wir oft den Diener in seiner Persönlichkeit als Mensch sehen, und nicht in seiner Verbindung mit dem Herrn Jesus Christus, welchen Gott mit Sich verherrlicht hat in den Himmeln.

Jedes Mal, wenn ich meine Augen auf den Sohn Gottes richte, der auf dem Thron des Vaters sitzt, sehe ich Gottes Entschluss der Gerechtigkeit, „denn ich gehe zum Vater”. Und ich weiß, wie nah und wertvoll Ihm Seine Botschafter der himmlischen Versöhnung sind.

Es muss Ihm ein besonderes Ärgernis sein, wenn der Erfolg des Dienstes dieser Brüder durch persönliche Verleumdung einzelner untergraben wird; aber es muss Sein Herz erfreuen, wenn Seine Diener sich befleißigen aufgrund der Erkenntnis Seiner Herrlichkeit und wegen der gegenseitigen Hochachtung voreinander, jede Art von Schwätzerei, Unterstellung und übler Nachrede abzulehnen. Weil sie Christus angehören und deshalb bei jeder Gelegenheit sorgsam bedacht sind, den Charakter Seiner Herrlichkeit hochzuhalten.

Es muss einen sehr bösen Einfluss auf die Heiligen haben, wenn ein Diener sich selbst erhöht, indem er andere erniedrigt, und gleichzeitig in drastischer Weise davon predigt, dass Christus verherrlicht werden soll.

Ich bin sicher, dass es einen zerstörerischen Effekt hat, wenn der private Austausch unter Geschwistern über die Heiligen in dieser Weise geschieht und wenn der Dienst bezüglich der höchsten Dingen des christlichen Glaubens, von dem sie öffentlich hören dann in Verbindung mit solchen Gerüchten gebracht wird; denn die hohen Dinge werden durch die niedrigen aufgehoben. Der Geist des Gläubigen wird zweifelnd (oder schlimmer) darüber, ob die himmlischen Dinge real sein können, wenn diejenigen, die deren Diener sind, so irdisch gesinnt sind.

Die moralische Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Dienst betreffs himmlischer Dinge und dem privaten Zuhören und Weitersagen böser und verleumderischer Dinge muss ein großer Stolperstein für solche Seelen sein, die sehr einfühlsam sind in Bezug auf die Ehre des “würdigen Namens” Christi und des guten Rufs Seiner Diener.

Die Art und Weise des Herrn, über Seine Diener zu sprechen sehen wir in bemerkenswerter Weise im Fall von Johannes den Täufer: “Er war die brennende und scheinende Lampe... Wahrlich, ich sage Euch: Unter den von Frauen Geborenen ist kein größerer aufgestanden als Johannes der Täufer.” Er war “der Zeuge des wahren Lichts” und nun zeugt der Herr von ihm. Der größte Prediger Seiner Zeit, welcher nun im Gefängnis war, wurde durch den Herrn und seine Jünger bestätigt und ihm wurde ein Zeugnis vor den Menschen gegeben, dass er der größte unter den von Frauen geborenen ist.

„Er muss wachsen, ich aber abnehmen”. Und als “das Licht” den Höhepunkt seines Glanzes erreichte, sagte Jesus vor der Volksmenge über Johannes: “Er war die brennende und scheinende Lampe.” Er selbst wuchs - aber nicht, indem er Johannes herabsetzte, sondern durch Seine eigene, innewohnende Herrlichkeit und durch Seine wunderbaren Werke, die von Himmel, Erde und Hölle bezeugt werden!

Er verließ die Welt nicht, bevor Er Seinen gefallenen Jünger Petrus wiederherstellte und vor allen Jüngern Sein Vertrauen in ihn durch die Aufgaben, die Er ihm übertrug ausdrückte; Er gab ihm am Pfingsttag öffentlich die Schlüssel des Königreichs der Himmel und er bestätigte seine Vorrangstellung unter den Zwölfen, ungeachtet seines furchtbaren Falls. Er stellte ihn deswegen nicht beiseite als jemanden, dem nicht vertraut werden konnte, weil er schmerzlich versagt hatte.

Und derselbe Petrus schreibt über Paulus als “unseren geliebten Bruder Paulus” ungeachtet des Schmerzes seiner öffentlichen Zurechtweisung durch Paulus in Antiochien. Dies ist die Ausdrucksweise eines wahren Dieners, der durch das Vorbild Christi geformt wurde.

Auch Paulus selbst ist ein großes Vorbild. Die Zeit würde nicht ausreichen, alle Begebenheiten aufzuzeigen, in denen er freundlich und liebevoll über andere spricht und seine Mitarbeiter empfiehlt. Man braucht nur an Auflistungen wie in Römer 16, 1.Korinther 16 oder Kolosser 4 zu denken, um ein paar Beispiele aufzuführen.

Denken wir nur an seine privaten Mitteilungen an jüngere Brüder in seinen Briefen an Timotheus oder Titus und den zuvorkommenden Brief an Philemon. Diese zeigen den Vater in Christus und den echten christlichen Gentleman. “Sei es, was Titus betrifft, er ist mein Genosse und in Bezug auf Euch, mein Mitarbeiter; seien es unsere Brüder, sie sind Gesandte der Versammlungen, Christi Herrlichkeit.”

Über Timotheus schreibt er: “Deshalb habe ich Euch Timotheus gesandt, der mein geliebtes und treues Kind ist im Herrn.” (1. Korinther 4,17);
Weiterhin fügt er am Schluss des Briefes hinzu “Wenn aber Timotheus kommt, so seht zu, dass er ohne Furcht bei euch sei; denn er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich. Es verachte ihn nun niemand. Geleitet ihn aber in Frieden, damit er zu mir komme, denn ich erwarte ihn mit den anderen Brüdern. Was aber den Bruder Apollos betrifft, so habe ich ihm viel zugeredet, dass er mit den Brüdern zu euch komme; und er war durchaus nicht gewillt, jetzt zu kommen, doch wird er kommen, wenn er einen gelegene Zeit finden wird.” (1. Korinther 16, 10-12).

Er schreibt nicht: “Apollos ist ein unwegsamer Mann, der Ecken und Kanten hat; es tut mir leid, ihn überhaupt darauf angesprochen zu haben.” Nein, Apollos war ein Diener des Herrn und er diente nicht unter Paulus, sondern unter dem Herrn; und Paulus erkannte dies an und gestand ihm zu, zu gehen oder zu bleiben. Hätte es etwas in Apollos Willen gegeben, das ihn etwas anging, wäre das eine andere Sache, aber Paulus hat sich weder eingemischt, noch war er zornig deswegen.

Paulus hatte so viel Vertrauen in Timotheus, dass er sich beim Schreiben von sechs seiner Briefe mit ihm in Verbindung sieht (2.Kor. 1,1; Phil. 1,1; Kol. 1,1; 1.Thes. 1,1; 2.Thes. 1,1; Phlm. 1). Den Philippern schreibt er: “Ich hoffe aber in dem Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; ihr kennt aber seine Bewährung, dass er, wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient hat an dem Evangelium.”

Und den Thessalonichern schreibt er: “Und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitstreiter Gottes in dem Evangelium des Christus, um euch zu befestigen und zu trösten hinsichtlich eures Glaubens”. Wenn er ihm selbst schreibt, spricht er ihn an mit “Timotheus, meinem echten Kind im Glauben... Timotheus, meinem geliebten Kind” (1.Tim. 1,2; 2.Tim. 1,2).

Dies ist die gütige, liebevolle Weise, in der der Geist uns am Beispiel Seines Wortes lehrt, wie wir über Diener des Herrn sprechen und schreiben sollen. Sie sind Ihm wertvoll und es muss Ihm eine besondere Freude sein, wenn Er hört, dass gut über sie gesprochen wird.

So wie ein Hausdiener verdorben werden kann, indem man ihm einen schlechten Charakter nachsagt, so könnte der moralische Ruf, der gute Charakter und der Dienst eines wahren Dieners Christi durch Verleumdung und üble Nachrede zerstört werden. Wie traurig und wie unchristlich! Wenn die Brunnen christlicher Lauterkeit vergiftet werden, ist der moralische Tod unausweichlich!

Ich glaube, dass wir genau hier, in exakt diesem Punkt beginnen müssen, bevor wir überhaupt eine Wiederherstellung der Versammlung erwarten können. “Wir bitten aber, Brüder, dass ihr die erkennt, die unter euch arbeiten... dass ihr sie über alle Maßen in Liebe achtet, um ihres Werkes willen.” (1.Thes. 5,12.13).

Lasst jeden Arbeiter freundlich und liebevoll über seine Mitarbeiter denken und positiv über sie sprechen und schreiben; dadurch wird die Einheit in Ihrem Ursprung gefördert, nämlich im Dienst am Wort.

Wenn wir, anstatt Fehler zu beanstanden, schwerwiegende Vorwürfe zu erheben, haltlose oder gemeine Gerüchte anzunehmen und zu verbreiten, die Liebe, die eine Menge von Sünden bedeckt im Herzen hätten und keine bösen Gerüchte über Diener Gottes annehmen würden (sondern im Gegenteil jeden Schwätzer und jeden, der übel über andere redet darin entmutigen; und echte christliche Liebe kultivieren und uns um den guten Ruf unserer Brüder kümmern würden), dann würde es bald eine Erweckung der Gnade im Dienst und in der moralischen Genesung der Versammlung geben.

Man erzählt sich von einer Mutter eines gesegneten Dieners im Werk des Herrn in diesem Jahrhundert, dass sie, immer wenn irgendjemand mit einem üblen Gerücht über einen Nachbarn zu ihr kam, sagte “Reiche mir meinen Hut, wir gehen jetzt gemeinsam zu der Person, über die Du mir dies erzählt hast und werden herausfinden, ob es wahr ist.”  Durch diese gewissenhafte Handlungsweise hatte sie bald alle, die böse Gerüchte verbreiteten, abgeschreckt und wurde somit nicht mehr mit deren verleumderischen Geschichten belästigt!

Das Leben ihres Sohnes zeichnete sich durch die wahrhaft edle Gesinnung seiner Mutter aus; als dieser durch Gottes Gnade die Wahrheit des Christentums erkannte wurde er der Dreh- und Angelpunkt einer geistlichen Bewegung, welche nicht nur ein großes Ereignis in der Geschichte der Versammlung wurde, sondern auch zur Erlösung einer unermesslichen Menge an Seelen führte.

Wenn die Wahrheit in unserem Innersten eine solch eindrucksvolle Wirkung hat, wie in dieser wahrheitsliebenden Mutter und ihrem der Wahrheit verpflichteten Sohn, käme es zu einer moralischen Revolution: die Brüder wären frei von der angeblichen Notwendigkeit, sich gegenseitig zu übertrumpfen und den Weg dieses und jenes Bruders beklagen zu müssen.

Sie würden ihren Geist, ihre Zeit und ihre Zunge dafür benutzen, bereit zu sein, sich gänzlich von Christus und mit Gutem füllen zu lassen und nicht mit den Fehlern oder angeblichen moralischen Vergehen der Anderen beschäftigt zu sein.

Jegliche üble Nachrede unter den Arbeitern des Herrn würde bald aufhören, wenn die Methode, Ankläger auf Angeklagten treffen zu lassen als Heilmittel angewandt würde. Allerdings könnte das aber auch nur ein äußeres Ende aufgrund von Angst vor Blamage sein.
Die wirkliche Heilung muss innerlich und im Geiste geschehen - praktische Gerechtigkeit und praktische Liebe zu den Brüdern und der Geist, der diese hervorbringt sind in 1. Johannes 3 göttliche Beweise dafür, dass man aus Gott geboren ist.

Es ist traurig, dass es überhaupt einen Anlass gibt, ein Wort über dieses Thema zu schreiben; aber sind wir nicht alle mehr oder weniger dieses lieblosen und zerstörerischen Verhaltens schuldig, welches der Geist ausdrücklich verurteilt? Ich erinnere mich an ein altertümliches puritanisches Buch namens “Dyer’s Golden Chain” (“Dyer’s Goldkette”), aus dem meine Mutter am Tag des Herrn nachmittags im Familienkreis vorlas.

Obwohl ich sehr jung war (erst 13, als sie starb) und die Lehre nicht fassen konnte, gab es einen einzigen Abschnitt, den ich nie vergessen habe und der für mich eine Art Warnsignal wurde. Nämlich der bemerkenswerte Abschnitt, wo vom “Engel der Versammlung” gesprochen wird; dort heißt es altmodisch aber passend: “Aufseher werden Engel genannt wegen Ihrer Würde; aber wenn Engel fallen, werden sie zu Dämonen” (Siehe 1.Joh. 3,8-10).

“Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander... Kein faules Wort gehe aus Euren Lippen hervor, sondern was irgend gut ist zur notwendigen Erbauung, damit es den Hörenden Gnade darreiche. Und betrübt nicht den Geist Gottes, durch den ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung. Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von Euch weggetan, samt aller Bosheit. Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat.” (Eph. 4,25-32).

AUS “THE BIBLE HERALD” - 1881

Unbekannt


Vorheriger Artikel Nächster Artikel

Verwandte Artikel