2021-02-09

Der Gott, der liebt

In der Geschichte der christlichen Mission wird Gladys Aylward immer als »Die kleine Frau« bekannt sein.  Aber was ihr an physischer Gestalt fehlte, machte sie mehr als wett durch ihre geistlichen Errungenschaften. Diese unerschrockene Missionarin hatte einen einfachen Glauben an den Herrn und zeigte eine resolute Furchtlosigkeit, Tapferkeit und Ausdauer im Dienst für Ihn. Als Ergebnis erlebte sie wunderbare Gebetserhörungen, verblüffende Zusammentreffen von Umständen und eine erstaunliche Anzahl offener Türen für das Evangelium in China. 

Einmal war sie in einem Haus mit Flüchtlingen zusammen. Es waren Schüler, die vor den japanischen Eindringlingen geflohen waren. Diese Jugendlichen beteten für ein Gebiet im Nordwesten. Aus verschiedenen Gründen hatten sie nicht die Freiheit dorthin zu gehen und so schloss Gladys, der Herr wolle, dass sie ging. Sie brach auf und verließ sich auf Führer, die sie von einem Dorf zum anderen begleiteten. Als sie Tsin Tsui erreichte, versuchten die Dorfbewohner, sie abzuhalten, weiterzuziehen. Sie sagten: »Dies ist das Ende. Weiter geht es nicht.« Aber Gladys erwiderte: »Die Welt hört doch nicht einfach auf. Ich muss weiter. Deshalb bin ich gekommen.« 

Als ein chinesischer Arzt mit Namen Huang sah, dass sie entschlossen war, bot er ihr an, sie fünf Tage lang zu begleiten. Aus den fünf Tagen wurden zehn, weil sie jedem, den sie trafen, von Jesus erzählten. Niemand hatte je etwas von ihm gehört. Am elften Tag zogen sie durch ein ödes Gebiet ohne jedes Anzeichen von menschlichen Bewohnern. Es gab keinen Ort, wo sie schlafen konnten und nichts zu essen. Es war an der Zeit, zu beten. Gladys begann: »Lieber Gott, hab' Erbarmen mit uns. Du kannst sehen, in welcher Notlage wir sind. Gib uns Essen und ein Dach für die Nacht.« Sie fühlte sich überführt, weil ihr Gebet sich nur um sie und den Doktor drehte. 

Dann betete Dr. Huang: »O Gott, schicke uns denjenigen, dem wir nach Deinem Willen von Jesus erzählen sollen. Wir haben heute noch niemandem Zeugnis gegeben, aber Du hast uns mit einer bestimmten Absicht hierher geschickt. Zeige uns, wo wir den Menschen finden, den Du segnen willst.« Diesem Mann ging es nur um die Arbeit für den Herrn. Gladys beschloss, dass sie ein Glaubenslied singen sollten, und so wurden die Worte und die Melodie in die klare Gebirgsluft hinausgetragen.

Bald machte Dr. Huang in einiger Entfernung einen Mann aus, er sprang auf und rannte ihm entgegen. Der Doktor rief, dass Miss Aylward kommen sollte, aber sie wollte den steilen, zerklüfteten Berg nicht hinunterklettern und ihre Bündel unbewacht zurücklassen. Also kam er zurück und überredete sie, mitzukommen. Sie brauche sich wegen des Gepäcks keine Sorgen zu machen, da wäre niemand, der es stehlen könne. 

Als sie den Mann erreichten, war sie erstaunt zu erfahren, dass es ein Lama oder ein Mönch aus Tibet war. Obwohl Lamas normalerweise nichts mit Frauen zu tun haben wollen, lud dieser Huang und Gladys ein, die Nacht im Lamakloster zu verbringen. Als der Priester merkte, dass sie zögerte, sagte er: »Wir warten seit langem auf Sie, damit Sie uns von dem Gott, der liebt, erzählen.« Die kleine Frau war erschüttert. Wie konnten sie wissen, dass es einen Gott gibt, der liebt? Welchen Kontakt konnten solche einsamen Leute mit Missionaren oder jemand anderem von der Welt da draußen gehabt haben? 

Nachdem die Lamas sie mit Kissen, Wasser zum Waschen und köstlichen Speisen versorgt hatten, erschienen zwei von ihnen an Gladys Tür und baten sie, mit ihnen zu kommen. Andere brachten Dr. Huang zum selben Platz, einem Raum, in dem 50 Mönche auf Betkissen saßen. All dies verwirrte Gladys, aber der gute Doktor musste den Zweck dieser Versammlung erfasst haben, so bat er sie, ein Lied anzustimmen. Als sie geendet hatte, erzählte sie von der Geburt des Erlösers in Bethlehem und fuhr fort bis zum Tod und bis zur Auferstehung. 

Miss Aylward sang wieder, dann sprach sie; sang noch einmal, dann sprach und sang Dr. Huang. Schließlich entschuldigte sie sich und ging auf ihr Zimmer. Sie war erschöpft. Aber ihre Arbeit war noch nicht getan. Zwei Lamas erschienen an ihrer Tür und baten sie, ihnen mehr zu erzählen. Als sie gingen, kamen zwei andere und so ging es die ganze Nacht weiter. Sie schienen besonders an dem Gott, der liebt, interessiert zu sein. 

Nach fünf Tagen ungehinderter Evangelisation wurde Miss Aylward zu einem Treffen mit dem obersten Lama eingeladen. Erleichtert erfuhr sie, dass er Mandarin sprechen konnte, was sie ausgezeichnet verstand. Sie fragte, warum er erlaubt hatte, dass eine ausländische Frau ins Lamakloster kam und zu den Priestern sprechen durfte. 

Er berichtete dann diese bemerkenswerte Geschichte: Jedes Jahr sammeln und verkaufen die Lamas ein Lakritzkraut, das auf den Bergen wächst. Als sie in einem Jahr in ein Dorf kamen, hörten sie einen Mann, der ein Traktat hielt, ausrufen: »Wer möchte eins? Errettung ist frei und kostet nichts. Wer Errettung erfährt, lebt ewig. Wenn Sie mehr erfahren wollen, kommen Sie zum Gemeindesaal, wo das Evangelium verkündet wird.« 

Sie nahmen das Traktat mit ins Lamakloster und hefteten es an die Wand. Darauf stand Johannes 3,16 »Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.« Das erinnerte sie beständig daran, dass es einen Gott gab, der liebt. 

Fünf Jahre lang brachten sie die Kräuter auf den Markt und fragten jedes Mal, wo »der Gott, der liebt« wohnt. Endlich führte ein Mann in Len Chow sie zur China Inland Mission. Dort erklärte ein Missionar ihnen den Weg der Errettung und gab ihnen eine Kopie der Evangelien. Als sie diese studierten, kamen sie zu Markus 16,15: »Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung.« Daraus schlossen sie, dass irgendwann jemand mit dem Evangelium zu ihnen kommen würde. Sie beschlossen, dass, wenn Gott einen Boten senden würde, sie ihn bereitwillig empfangen wollten. 

Sie warteten weitere drei Jahre. Dann hörten zwei Mönche, die draußen in den Bergen arbeiteten, jemand singen. Sie sagten: »Nur Menschen, die Gott kennen, singen.« Während ein Mann den Berg herunter kam, um Gladys und Dr. Huang zu treffen, kehrte der zweite zum Lamakloster zurück und mobilisierte die anderen Lamas, sich für die lang ersehnten Gäste vorzubereiten. 

Deshalb wurden die beiden Christen so warmherzig und mit hungrigen Herzen empfangen. Gladys Aylward verabschiedete sich, ohne zu erfahren, ob einige von den Lamas sich bekehrten. Alles, was sie wusste, war, dass der Herr sie und Dr. Huang durch eine Reihe von göttlichen Fügungen zu ihnen geführt hatte, und sie gab sich damit zufrieden, das Ergebnis Ihm zu überlassen.  Es ist zu bezweifeln, dass Er solch komplizierte Umstände arrangiert hatte, ohne dort etwas zu bewirken. 

Die kleine Frau ehrte den Herrn Jesus durch ihren frischen und gesunden Glauben, durch ihren Gehorsam seinen Eingebungen gegenüber und durch ihr treues Zeugnis vor anderen. Sie sah, wie die Zahnräder ihres Lebens ineinander griffen. Ihr Dienst glänzte durch übernatürliche Dinge. Wenn sie ins Leben anderer Menschen trat, ereignete sich etwas für Gott. 


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