Auf dem Wasser gehen (2)
„Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! Sogleich aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ (Mt 14,28-31).
Plötzlich beginnt Petrus zu zweifeln. Sein Blick wendet sich weg vom Herrn und hin auf den starken Wind, der ihm um die Ohren pfeift. In diesem Augenblick verliert er seinen festen Halt und fängt langsam an, ins Wasser zu sinken. Verzweifelt ruft er: „Herr, rette mich!“ Sofort ist die mächtige Hand des Herrn da, die ihn ergreift und aus den Wassermassen rettet. Dann hört Petrus wieder die Stimme seines Meisters, der zu ihm sagt: „Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Petrus fing an zu sinken, weil er seinen Blick vom Herrn wegwandte und nur noch die Umstände vor Augen hatte. Auf das Wort des Herrn hin war er aus dem Boot ausgestiegen, doch jetzt verlor er das Bewusstsein der Gegenwart des Herrn - und das ist immer verhängnisvoll. Wenn wir den Herrn aus den Augen verlieren und die Probleme und Nöte plötzlich wie Berge vor uns stehen, beginnen wir im Glauben einzuknicken. Deshalb werden wir im Hebräerbrief dazu aufgefordert, von allem wegzuschauen und unsere Augen allein auf den „Anfänger und Vollender des Glaubens“ zu richten (s. Heb 12,2). Wir stehen durch den Glauben (s. 2.Kor 1,24) und wir werden durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt (s. 1.Pet 1,5). Doch selbst wenn wir in der Gefahr stehen, durch Zweifel einzuknicken, kann der Herr uns aufrecht halten (s. Röm 14,4).
Das sehen wir auch hier. Auf das kurze Gebet: „Herr, rette mich!“ ist augenblicklich die Hand des Herrn da. Jesaja schreibt treffend: „Siehe, die Hand des HERRN ist nicht zu kurz, um zu retten, und sein Ohr nicht zu schwer, um zu hören“ (Jes 59,1). Wenn Petrus auch darin versagt, den Herrn zu erreichen, so versagt der Herr niemals in Seiner herablassenden Gnade. Selbst wenn wir auf das Wort hin Glaubensschritte tun und dann irgendwann Tage kommen, an denen wir uns von den Umständen überwältigen lassen, ist der Herr stets bereit, uns zu retten, wenn wir zu Ihm rufen. Der Psalmist beschreibt diese Erfahrung wie folgt: „Wenn ich sagte: ‘Mein Fuß wankt‘, so unterstützte mich deine Güte, HERR“ (Ps 94,18). Auch David hat das erlebt und in einem Lied aufgeschrieben: „Er streckte seine Hand aus von der Höhe, er nahm mich, er zog mich aus großen Wassern“ (Ps 18,16). Gott wird uns zur rechten Zeit erhöhen, wenn wir uns in solchen Situationen vor Ihm demütigen, indem wir alle unsere Sorgen auf Ihn werfen - denn Ihm liegt an uns (s. 1.Pet 5,6.7)!
C.H. Mackintosh hat zu dem Zustand des Wassers treffend gesagt: „Der Glaube kann sowohl auf rauen Gewässern, als auch auf ruhigem Wasser gehen. Der natürliche Mensch kann keins von beiden. Die Frage ist nicht, in welchem Zustand sich das Wasser befindet, sondern in welchem Herzenszustand wir sind. Die Umstände haben nichts mit dem Glauben zu tun, außer dass, je schwieriger sie sind, die Kraft des Glaubens zunimmt und umso heller hervorstrahlt … Der Glaube erhebt das Herz über die Winde und Wellen dieser rauen Welt und erhält es in vollkommenem Frieden.“
Gute Umstände sind keine Sicherheit für uns. Wahre Sicherheit kann nur der Herr geben. Er hat die Welt überwunden - und wir überwinden die Welt durch den Glauben an Ihn (s. 1.Joh 5,4). Der Sohn Gottes, der himmelhoch über den Umständen steht, ist der Gegenstand unseres Glaubens und das Ziel, auf das wir zusteuern.
Jesus bezeichnet Petrus hier als kleingläubig, weil dieser seinen Blick von Ihm abwendet, während er, von Wind und Wellen umgeben, auf dem Wasser geht. Der Herr erwartet von seinem Jünger, dass dieser Ihm unter diesen außergewöhnlichen Umständen fest vertraut, indem er seinen Blick ausschließlich auf Ihn gerichtet hält und sich von den äußeren Umständen nicht beunruhigen lässt. Es fällt uns leicht, Petrus von unseren „Booten“ aus zu kritisieren oder ihm altklug hinterherzurufen: „Du musst nur auf den Herrn schauen, dann gehst du nicht unter.“ Würden wir, wenn wir das erste Mal auf dem Wasser gehen, bei starkem Wind und Wellen, ununterbrochen vertrauensvoll auf den Herrn schauen, ohne unseren Blick auf die tobenden Naturgewalten abschweifen zu lassen?
Die Umstände ändern sich - der Wind und die Wellen kommen und gehen - doch „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Wer auf Ihn vertraut und seinen Blick fest auf Ihn gerichtet hält wird mit Sicherheit nicht beschämt werden!
„Ich erhebe meine Augen zu dir, der du in den Himmeln thronst!“ (Ps 123,1)
Artikelreihe: Kleinglaube
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