2019-10-26

Kleinglaube trotz wunderbarer Erfahrungen mit dem Herrn

„Und als die Jünger an das jenseitige Ufer kamen, hatten sie vergessen, Brote mitzunehmen. Jesus aber sprach zu ihnen: Gebt Acht und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer. Sie aber überlegten bei sich selbst und sagten: Weil wir keine Brote mitgenommen haben. Als aber Jesus es erkannte, sprach er: Was überlegt ihr bei euch selbst, Kleingläubige, weil ihr keine Brote mitgenommen habt? Versteht ihr noch nicht, erinnert ihr euch auch nicht an die fünf Brote für die fünftausend und wie viele Handkörbe ihr aufgehoben habt, noch an die sieben Brote für die viertausend und wie viele Körbe ihr aufgehoben habt?“ (Mt 16,8-10).

Das ist die letzte Begebenheit im Matthäus-Evangelium, in der der Herr die Jünger als Kleingläubige bezeichnet. Er steigt mit ihnen ins Schiff, um an das andere Ufer zu fahren. Unterwegs bemerken die Jünger, dass sie vergessen haben, Brote für die Reise mitzunehmen. Als sie am Ufer ankommen, will der Herr sie vor schlechten geistlichen Einflüssen warnen. Doch sie begreifen nicht, was Er ihnen sagen möchte. Die Sorgen um materielle Dinge und die Beschäftigung mit ihrem eigenen Versagen verdunkeln ihren Blick für das, was Christus ihnen vorstellt. Sie denken nur an die Speise, die vergeht (s. Joh 6,27), während Jesus an etwas viel Wichtigeres als die Bedürfnisse ihres Körpers denkt - Bewahrung vor falscher Lehre.

Kommt dir das bekannt vor? Kann es sein, dass der Herr auch uns manchmal etwas sagen möchte und wir Ihn nicht verstehen, weil unsere innere Ausrichtung einfach nicht stimmt? Wie oft sind wir in erster Linie mit irdischen Dingen und materiellen Bedürfnisse beschäftigt, anstatt uns auf das viel Wichtigere - das Geistliche - zu konzentrieren?

Im Markus-Evangelium lesen wir, dass die Jünger auf der Fahrt nur ein Brot bei sich haben (s. Mk 8,14). Als der Sohn Gottes ihre Gedanken erkennt, stellt Er ihnen einige herzerforschende Fragen, die wir auch auf unser Leben anwenden können. Er fragt sie:

„Was überlegt ihr bei euch selbst, Kleingläubige, weil ihr keine Brote habt?“ - Mit anderen Worten: Warum dreht ihr euch in euren Gedanken nur um euer menschliches Versagen?

„Begreift ihr noch nicht?“ - Habt Ihr noch immer nicht gemerkt, dass ich der Sohn Gottes bin, dem Ihr rückhaltlos vertrauen könnt?

„Erinnert ihr euch auch nicht?“ - Warum denkt ihr nicht an die Wunder, die ich schon vor euren Augen getan habe?

„Versteht ihr noch nicht?“ - Versteht ihr nicht, wozu ich in der Lage bin? Ihr habt doch mit eigenen Augen gesehen, was ich tun kann. Glaubt ihr nicht, dass, wenn ich mit fünf Broten 5000 Männer versorgen kann oder mit sieben Broten eine Volksmenge von 4000, es überhaupt kein Problem für mich ist, mit einem Brot 13 Personen zu sättigen?

„Habt ihr euer Herz verhärtet?“ - Seid ihr nicht bereit, durch die Glaubenserfahrungen, die ihr bereits mit mir gemacht habt, dazuzulernen? In Markus 6,52 heißt es: „Denn sie waren durch die Brote nicht verständig geworden, sondern ihr Herz war verhärtet.“

Die Fragen des Herrn machen deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns immer wieder an die wunderbaren Dinge erinnern, die Gott bereits in unserem Leben getan hat. Es kann sehr nützlich sein, Glaubenserfahrungen aufzuschreiben und sie sich von Zeit zu Zeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Der Psalmist schreibt: „Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht alle seine Wohltaten! … Erinnert euch an seine Wunderwerke, die er getan hat“ (Ps 103,2; 105,5). 

Gott forderte das Volk Israel am Ende der Wüstenreise - und kurz vor dem Einzug ins Land Kanaan - dazu auf, sich an die Dinge zu erinnern, die sie mit Gott erlebt hatten (s. 5.Mo 8,2). Er hatte ihnen täglich Manna aus dem Himmel gegeben und Seine treue Fürsorge vielfach unter Beweis gestellt (s. 2.Mo 16). Trotzdem zweifeln sie, als die Frage aufkommt, ob Gott imstande ist, das Volk in der Wüste für einen ganzen Monat mit Fleisch zu versorgen (s. 4.Mo 11,22). Der HERR antwortet mit einer treffenden rhetorischen Frage auf ihren Kleinglauben: „Ist die Hand des Herrn zu kurz?“ (4.Mo 21,23).

Er hatte sie getragen, wie ein Mann seinen Sohn trägt (s. 5.Mo 1,31). Die ganzen 40 Jahre hindurch war ihre Kleidung nicht zerfallen und ihr Fuß nicht geschwollen. Es hatte ihnen an nichts gefehlt (s. 5.Mo 2,7). So wie der HERR ihnen beim Auszug aus Ägypten geholfen hatte, so würde Er ihnen auch bei der Eroberung des Landes helfen (s. 5.Mo 1,30). „Erinnnere dich doch daran …“ (5.Mo 7,18). Sie sollten zurückblicken und aufgrund der wunderbaren Erfahrungen, die sie mit Gott gemacht hatten, Mut für die Zukunft schöpfen! „Erinnert euch an seine Wunderwerke, die er getan hat“ (1.Chr 16,12).

Das gilt auch für uns! Wie oft haben wir selbst schon die mächtige Hand unseres Herrn erlebt und erfahren, dass Er gütig ist. Doch schon kurze Zeit später scheinen wir alles wieder vergessen zu haben. Die Beschäftigung mit den Sorgen des Lebens oder unserem  Versagen raubt uns oft den Blick für das Unsichtbare - und schwächt unser Vertrauen zum Herrn, der zu jeder Zeit alles unter Kontrolle hat.

Dass es auch anders geht, macht die folgende wahre Geschichte deutlich, die vor ca. 200 Jahren geschehen ist:

„An einem frühen Morgen spielte Abigail Townsend im Garten in Ashley Down, als Georg Müller herauskam und sie an der Hand nahm. »Komm und sieh, was unser Vater tun will.« Er führte sie in den langen Speisesaal mit den Tellern, Tassen und Schalen, mit denen der Tisch gedeckt war. Nach den Berichten (die vielleicht etwas übertrieben erzählt und dann aufgeschrieben wurden) war nichts auf dem Tisch als nur das leere Geschirr.

Die Kinder standen und warteten auf das Frühstück. »Kinder, ihr wisst, dass ihr pünktlich in der Schule sein müsst«, sagte Müller. Seine Hände aufhebend betete er: »Lieber Vater, wir danken Dir für das, was Du uns zu essen geben wirst.« Dann hörten es alle an der Tür klopfen. Der Bäcker stand da: »Herr Müller, ich konnte letzte Nacht nicht schlafen. Irgendwie fühlte ich, dass Sie kein Brot zum Frühstück hatten, und der Herr wollte, dass ich Ihnen etwas schicke. So bin ich um zwei Uhr aufgestanden und habe einiges frisches Brot gebacken und es gebracht.« Müller dankte dem Bäcker und pries Gott für Seine Fürsorge. »Kinder«, sagte er, »wir haben nicht nur Brot, sondern sogar frisches.«

Fast unmittelbar danach hörten sie zum zweiten Mal ein Türklopfen. Jetzt war es der Milchmann: »Herr Müller, mein Milchwagen ist draußen vor dem Waisenhaus zusammengebrochen. Ich möchte den Kindern die Kannen mit frischer Milch geben, damit ich den Wagen leeren und reparieren kann.« Müller dankte dem Milchmann, und die Kinder freuten sich über ihr Frühstück.“ (Georg Müller, Vertraut mit Gott, CLV)

Lasst uns, anstatt uns um uns selbst zu drehen, aus der Vergangenheit lernen und dem Herrn auch heute noch Großes zutrauen!

„Denn deiner Wunder von alters her will ich gedenken ; und ich will nachdenken über all dein Tun, und über deine Taten will ich sinnen. Gott, dein Weg ist im Heiligtum! Wer ist ein großer Gott wie Gott? Du bist der Gott, der Wunder tut“ (Ps 77,12-15).

J.P.S.


Artikelreihe: Kleinglaube

Auf dem Wasser gehen (2)


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