2024-01-08

Die Zeit bleibt nie stehen

„So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!“ (Psalm 90,12)

Wenn ich zu Bett gehe, habe ich eine eigenartige Angewohnheit. Nachdem Noel und ich gebetet haben, schlüpfe ich ins Bett und lege mich auf die linke Seite, sodass ich die roten Ziffern des Radioweckers auf meinem Nachttisch sehen kann.

Ich lege meine Hände vors Gesicht und warte ein paar Augenblicke in der Stille. Dabei bete ich und danke meistens schweigend für meine Frau, die neben mir liegt, für meine Kinder und für den Dienst, den Gott mir gegeben hat.

Dann nehme ich meine rechte Hand und schließe meine Finger um mein linkes Handgelenk und fühle meinen Puls. Ich sehe auf die roten Ziffern und warte, bis sie umspringen, und fange an zu zählen. Eins ... zwei … drei ... Wenn die Ziffern wieder umspringen und eine Minute vorbei ist, höre ich auf.

Ich begann mit dieser seltsamen Angewohnheit, weil ich eines Tages der Vorstellung eines törichten Menschen nachhing: Wenn mein Herzschlag ganz langsam ist, weil ich fit (oder genetisch so veranlagt) bin, könnte es bedeuten, dass mein Herz gesund ist und ich lange leben werde. Auf solch dumme Gedanken kommt der Mensch! Doch heute geht es mir um etwas anderes: Wenn ich meinen Puls zähle, richte ich meine Aufmerksamkeit nicht auf die Anzahl, sondern auf die Folge.

Ein Schlag, dann noch einer, dann ein dritter usw., die ganze Nacht hindurch - ungefähr 21 000-mal in meinem Schlaf. Die Wirkung dieser kleinen Übung besteht darin, dass ich meistens schnell einschlafe. Wenn ich durch den stetigen Rhythmus meines Herzens gleichsam in den Schlaf gewiegt werde, bin ich mir meiner eigenen Existenz als hinfälliger Mensch bewusst.

Nüchtern betrachtet könnte jeder Herzschlag mein letzter sein. Mit bestem Willen könnte ich mein Herz nicht dazu bringen, noch einmal zu schlagen. Wenn es aussetzt, ist es vorbei. Mein Leben hier ist dann zu Ende, meine Zeit auf Erden vorüber. »Endet schlafend hier mein Lauf, / nimm, Herr, meine Seele auf!«

Die Zeit ist kostbar. Wir sind schwach. Das Leben ist kurz. Die Ewigkeit ist lang. Sollten wir dann nicht jede Aufgabe, die der Herr uns gibt, mit neuer Wachsamkeit beginnen?

J.P.


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