Reich an Barmherzigkeit
„Barmherzig ist der HERR, euer Gott.“ (2. Chronika 30,9)
Eng verwandt mit Gottes Gnade ist Seine Barmherzigkeit. Während Seine Gnade den Segen ausgießt, den wir nicht verdient haben, hält Seine Barmherzigkeit die Strafe zurück, die wir verdient haben. Seine Barmherzigkeit ist Mitleid, Herzensgüte und Erbarmen, das Er denen erweist, die in Leid und Elend sind. Seine Barmherzigkeit lässt die Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen. In den deutschen Übersetzungen ist Barmherzigkeit oft gleichbedeutend mit Güte oder Gnade.
Es folgen einige Verse, die von Gottes Barmherzigkeit sprechen:
„Der HERR, der HERR, Gott, barmherzig gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt…“ (2. Mo 34,6-7)
„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang.“ (Ps 23,6; Luther).
„Gnädig ist der HERR und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.“ (Ps 116,5)
„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes.“ (2. Kor 1,3)
„Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit…“ (Eph 2,4)
„... dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.“ (Jak 5,11)
Barmherzigkeit und Wahrheit vereinigten sich am Kreuz von Golgatha, und dadurch wird die Schuld gesühnt und Ungerechtigkeit gereinigt (Spr 16,6). Wir finden es in dem folgenden Gedicht:
Dort am Kreuz zeigst du in Klarheit
Gottes Barmherzigkeit und Wahrheit.
Voller Liebe steht jetzt der Himmel offen:
Der Fluch, den wir verdient, hat dich getroffen.
Wenn Menschen den Herrn um Barmherzigkeit für kranke Verwandte baten, meinten sie Heilung aus Barmherzigkeit. Wenn Blinde den Herrn um Barmherzigkeit baten, meinten sie Sehen aus Barmherzigkeit. Als Paulus an Timotheus und andere schrieb: „Gnade, Barmherzigkeit und Friede“, meinte er damit die mitfühlende Anteilnahme Gottes gegenüber schwachen und versagenden Dienern. Wenn Judas sagte, wir sollten die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwarten zum ewigen Leben (Jud 21), bezog er sich auf das Kommen Christi zu Seinen Heiligen.
Wenn ich einen Vers wie Epheser 2,4 lese, empfinde ich, dass ich Gottes Straßensperre auf unserem Weg zur Hölle entdeckt habe: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit.“ Er ist so reich an Barmherzigkeit, dass niemand verloren gehen muss, aber jeder Einzelne muss auf dem festgelegten Weg zu Gott kommen. Ich bewundere die Barmherzigkeit, die für mich Herzensgüte, Mitleid und Erbarmen hatte. Und ich preise Ihn für die Barmherzigkeiten meines Lebens - für das Augenlicht, das Gehör, den Geruchssinn, das Gedächtnis, den Appetit, die Gesundheit von Körper und Geist, für Speise und Trank und all die Wunder der Natur.
Wie immer, bringt auch hier ein Vorrecht Verantwortung mit sich. Gott möchte, dass wir diese Eigenschaft der Barmherzigkeit nachahmen. Er möchte, dass wir zueinander barmherzig sind: „Seid nun barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lk 6,36)
Ich möchte eine moderne Illustration von Barmherzigkeit in Aktion anführen. Eines Tages ging ein Christ namens Paul in ein Café, setzte sich auf einen Stuhl und gab seine Bestellung auf. Als er mit seinem Nachbarn ins Gespräch kam, erkannte er, dass Fred in tiefer geistlicher Not war. Nachdem Paul ihm das Evangelium erklärt hatte, machte er ein Wiedersehen mit Fred aus. Beim zweiten Treffen bekehrte Fred sich. Dann fing Paul an, ihn in einer Zweierbeziehung zum Jünger auszubilden und Fred wuchs in der Gnade und in der Erkenntnis des Herrn Jesus. Aber kurz darauf erfuhr Fred, dass er an einer lebensbedrohenden Krankheit litt. Er musste sich in ein Krankenhaus begeben, wo aber nicht gut für die Patienten gesorgt wurde. Paul besuchte ihn regelmäßig, badete ihn, wusch sein Bettzeug und verrichtete weitere Dienste, die die Angestellten hätten tun sollen. In der Nacht, als Fred starb, hielt Paul ihn in seinen Armen und flüsterte ihm Bibelverse ins Ohr. Das ist Barmherzigkeit. Es ist wunderbar, diese göttliche Eigenschaft bei einem Menschen zu sehen.
Der Apostel Paulus ermahnt uns, Barmherzigkeit mit Freudigkeit zu üben (Röm 12,8). Eine Schwester hat mir diesen Vers in unvergesslicher Weise erklärt. Sie sagte: „Meine Mutter war alt und lebte allein, aber es kam die Zeit, wo sie es nicht mehr schaffen konnte. Ich sprach mit meinem Mann, und wir beschlossen, sie bei uns aufzunehmen. Aber tief in meinem Herzen zögerte ich und lehnte mich dagegen auf. Die Familienroutine war gestört und viele meiner Pläne zerstoben. Ich kümmerte mich um sie, kochte ihre Mahlzeiten, besorgte ihre Wäsche. Ich tat alles für sie. Aber meine Mutter sagte zu mir: ,Warum lächelst du nicht mehr? Du bist nicht mehr die Glückliche von früher.ʻ Sehen Sie, ich war barmherzig, aber nicht mit Freudigkeit.“
Als Jesus sagte: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer“ (Mt 9,13), lehrte Er uns, dass es wichtiger ist, liebevoll und hilfreich anderen gegenüber zu sein, als Ihm kostspielige Dinge zu opfern. Er ist nicht an äußerlichen Ritualen interessiert, sondern an der inneren Wirklichkeit.
Es erstaunt uns nicht, dass eine der Seligpreisungen von dieser edlen Tugend handelt: „Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren“ (Mt 5,7). Wenn wir Barmherzigkeit wollen, müssen wir sie selbst üben. Aus Balthasar Königs Feder stammen die Worte:
Es ist das ewige Erbarmen
das alles Denken übersteigt;
es sind die off’nen Liebesarme,
des, der sich zu den Sündern neigt.
Dort findet sich zu aller Zeit
unendliche Barmherzigkeit.
Es gehe nur nach dessen Willen,
bei dem so viel Erbarmen ist;
er wolle selbst mein Herze stillen
damit es das nur nicht vergisst;
so sing ich einstens höchst erfreut:
o Reichtum der Barmherzigkeit!
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