2023-01-05

Noch keine Frucht? (1)

„Es sprach aber der Weingärtner: Siehe, seit drei Jahren komme ich und suche Frucht an diesem Feigenbaum und finde keine; hau ihn ab, wozu macht er auch das Land unnütz?“ (Lukas 13,7)

Der Weingärtner hatte die Unfruchtbarkeit des Feigenbaums nicht zum erstenmal festgestellt, und auch der Herr des Weinbergs war nicht zum erstenmal gekommen, Feigen zu suchen. Gott, der uns „noch dieses Jahr“ gibt, hat uns vorher schon andere gegeben. Seine verschonende Langmut ist darum nichts Neues; Seine Geduld ist schon früher auf die Probe gestellt worden.

Zuerst kamen unsere Ju­gendjahre, eine Zeit, in der wir Früchte bringen können, über die sich Gott besonders freut. Wie haben wir unsere Jugendjahre ver­lebt? Ist unsere Kraft in wildes Holz und in üppige Zweige geschos­sen? Wenn das der Fall ist, haben wir Ursache, es tief zu beklagen, dass wir unsere besten Kräfte verschwendet haben.

Unseren Jugend­jahren folgen die Jahre des frühen Mannesalters, in denen wir an­fangen, eine Familie zu gründen, und einem Baum gleichen, der fe­ste Wurzeln schlägt. Auch in dieser Zeit ist Frucht etwas sehr Köstli­ches. Haben wir solche getragen? Haben wir Gott die Erstlinge un­serer Kraft geweiht?

Wenn wir es nicht getan haben, so möge uns die Vergangenheit strafen und mit aufgehobenem Finger davor war­nen, auch „noch dieses Jahr“ ebenso zu verleben wie die vorigen. Wer seine Jugend und das Mannesalter verschwendet hat, der hat sicherlich genügend Torheiten begangen.

Es ist dann mehr als ge­nug, dass er die vergangene Zeit seines Lebens dem Willen des Flei­sches gelebt hat, und es wäre eine überaus große Leichtfertigkeit und Schlechtigkeit, wenn er auch „noch dieses Jahr“ im Dienst der Sünde verbringen wollte.

Viele von uns befinden sich in der vollen Kraft des Lebens. Haben wir bereits den halben Weg unserer Le­bensreise zurückgelegt und wissen noch nicht, wohin wir gehen? Sind wir bereits ein halbes Jahrhundert alt und noch nicht verstän­dig geworden?

Das Fortleben in der Sünde erzeugt Unempfindlich­keit des Herzens; und wenn die Seele lange Zeit im Schlaf der Gleichgültigkeit gelegen hat, ist es sehr schwer, sie aus diesem tödli­chen Schlummer aufzuwecken.

C.H.S.


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