Reich oder arm?
„Armut und Reichtum gib mir nicht.“ (Sprüche 30,8)
Wenn du vor der Frage stehst, ob du dir eine ungewöhnlich große Birne kaufen sollst oder nicht, so lass es entweder bleiben oder mache dich auf eine Enttäuschung gefasst, denn die Birne ist wahrscheinlich wässrig und mehlig. Übermäßig große, unnatürlich getriebene Früchte haben nie den zarten Wohlgeschmack, der natürlich gewachsenen Früchten eigen ist. Was man an der Menge gewinnt, verliert man an der Güte.
Ebenso geht es meistens mit großem Reichtum, großer Ehre und vornehmer Stellung. Es ist nicht so viel dahinter, wie man bei oberflächlicher Betrachtung meint; denn einmal wachsen Sorgen und Versuchungen im gleichen Maß wie Reichtum und Vornehmheit, und dann bewirkt alles, was man im Übermaß genießt, bald Übersättigung, so dass kein Vergnügen mehr dabei ist.
Ein mäßiges Einkommen macht glücklicher als ungeheurer Reichtum. Die Achtung weniger erfreut mehr als die Huldigung der großen Menge. Das stille Wirken in bescheidenen Verhältnissen befriedigt mehr als eine hohe, glänzende Stellung. „Genug“ schmeckt viel besser als „zuviel“. Salomo sagt: „Besser ein Gericht Kraut mit Liebe, als ein gemästeter Ochse mit Hass!“ (Sprüche 15,17).
Die Wahrheit dieses Wortes leuchtet uns besonders ein, wenn wir bedenken, wie oft ein fetter Ochse, das heißt etwas recht Wertvolles, der Anlass zu Zank und Streit wird, während man keinen um sein Gericht Gemüse beneidet.
Wer mit Agur spricht: „Armut und Reichtum gib mir nicht“, erwählt die kleinere, aber süßere Birne. Am besten ist es aber, wenn wir gar nicht selbst wählen, sondern alles unserem himmlischen Vater überlassen. Der die Lilien des Feldes kleidet und die Vögel des Himmels ernährt, weiß, was ihr nötig habt. „Darum sollt ihr euch nicht sorgen um den andern Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen.“
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