Auf dem Wasser gehen (1)
„Und als er die Volksmengen entlassen hatte, stieg er auf den Berg für sich allein, um zu beten. Als es aber Abend geworden war, war er dort allein. Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, gehend auf dem See. Als aber die Jünger ihn auf dem See gehen sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein Gespenst! Und sie schrien vor Furcht. Sogleich aber redete Jesus zu ihnen und sprach: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! Sogleich aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ (Mt 14,23-31)
Wieder eine Szene auf dem See. Dieses Mal sind die Jünger alleine im Schiff, während Jesus auf dem Berg ist, um dort zu beten. Stundenlang kämpfen die zwölf Männer mit dem entgegenstreitendem Wind und den furchterregenden Wellen. Dann taucht plötzlich in den frühen Morgenstunden etwas auf dem Wasser auf. Die Jünger denken, es sei ein Gespenst - und schreien vor Furcht. Doch in Wirklichkeit ist es der Sohn Gottes, der auf den gewaltigen Wassermassen läuft und sich langsam dem Boot nähert. Im nächsten Moment hören sie eine vertraute Stimme, die ihnen zuruft: „Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht!“
Petrus ist von dem Erscheinen des Herrn und seinen Worten tief beeindruckt. Nie zuvor hat er einen Menschen auf dem Wasser gehen sehen. Wenn Jesus dazu in der Lage ist, könnte Er dann nicht auch seinen Jünger dazu befähigen, das Gleiche zu tun?
In seinem Herzen wächst der Wunsch, seinem Meister näher zu kommen - selbst wenn es für ihn bedeutet, das „sichere“ Boot zu verlassen. Mit lauter Stimme ruft er: „Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern.“ Was ist die Antwort des Herrn? „Für wen hältst du dich? Willst du den anderen Jüngern etwas beweisen?“ Nichts dergleichen. Mitten in der Nacht wird in diesem Augenblick nur ein einziges Wort gehört: „Komm.“
Ca. 2000 Jahre vorher hatte Abraham, der Glaubensvater, bereits ein göttliches „Komm“ gehört (s. Apg 7,3) - „und er zog aus, ohne zu wissen wohin er komme“ (Heb 11,8). Petrus dagegen hat ein klares Ziel vor Augen: Den Sohn des lebendigen Gottes. Jetzt, nachdem der Herr ihn gerufen hat, gibt es kein Halten mehr. Er setzt seinen Fuß auf das Wasser - und merkt, wie er getragen wird; Schritt für Schritt. Menschlich gesprochen war es Wahnsinn, das sichere Boot zu verlassen und sich auf den wütenden See zu begeben. Doch wenn der Herr ruft, zählt nur noch eins: Glaubensgehorsam! Kann es etwas Besseres geben, als dem „Anfänger und Vollender des Glaubens“ durch konkrete Glaubensschritte näher zu kommen?
Glaube bedeutet, nicht von den Umständen beherrscht zu werden, sondern unabhängig von den Umständen auf Gottes Wort hin zu handeln. Christus - unser Ziel - bestimmt den Weg und das Handeln derer, die Ihm vertrauen. Wenn Er es ist, der uns dazu beruft, einen bestimmten Weg zu gehen, dann können wir kühn sagen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten“ (Heb 13,6)!
Bei keinem anderen Jünger sehen wir den Glaubensmut, den Petrus in dieser Situation an den Tag legt. Es ist die Liebe zu seinem Meister, die ihn antreibt, Sicherheiten aufzugeben, um Ihm näher zu kommen. Durch jeden Schritt, den er auf dem Wasser tut, wird sichtbar, dass der Herr erhaben über den Naturgesetzen steht und die Macht hat, Menschen auf dem Wasser gehen zu lassen. Was für ein gewaltiges Zeugnis für die elf Jünger, die das Ganze vom Boot aus beobachten - und für jeden Gläubigen, der es heute noch im lebendigen Wort Gottes lesen kann!
Artikelreihe: Kleinglaube
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