2020-03-21

Innerlich bewegt (1)

„Und Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen. Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und hingestreckt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Dann spricht er zu seinen Jüngern: Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende“ (Mt 9,35-38).

Es ist über hundert Jahre her, dass der Herr durch Seinen Geist in kraftvoller Weise in England und, von dort ausgehend, fast auf der ganzen Erde zu wirken begann.

Besonders in der Stadt Plymouth, in der das Werk seinen Anfang nahm, muss es in jener Zeit wunderbar zugegangen sein. Es soll kein Haus in jener Stadt gegeben haben, in dem nicht wenigstens einer war, der sich mit den so genannten „Brüdern“ versammelte. Das Theater musste geschlossen werden und blieb es drei Jahre lang, weil man allgemein begehrte, abgesondert von der Welt zu leben. Mit aller Kraft bemühte man sich, das geistliche Wohl des Menschen zu fördern. Der Besitzer des Theaters selbst wurde durch den großen äußeren Schaden, den er erlitt, nicht erbittert, sondern kam zum Glauben und versammelte sich mit den „Brüdern“ um den Tisch des Herrn. Große Versammlungsräume wurden errichtet, in denen nicht nur gemeinschaftlich das Wort betrachtet, sondern auch zahlreichen Scharen das Evangelium verkündigt wurde.

Heute ist es in der genannten Stadt so ganz anders. Es ist nicht unsere Absicht zu untersuchen, wie das gekommen ist und wie diesem Zustand etwa wieder abzuhelfen wäre. Was wir möchten, ist, alle, die sich heute noch irgendwo in der gleichen Weise versammeln wie jene Gläubigen, soweit sie für uns erreichbar sind, auf die Gesinnung aufmerksam zu machen, die damals Allgemeingut in jenen Reihen und von solch gewaltiger Wirkung war; eine Gesinnung, die so treffend durch die zwei Worte ausgedrückt wird: „innerlich bewegt“.

Der Zustand der Kirche Englands schien in jenen Tagen geradezu hoffnungslos. Ihre Führer arbeiteten dem göttlichen Werk entgegen und kümmerten sich nicht um das Volk. Aber gerade dies gab unseren Brüdern Veranlassung, sich mit ganzem Herzen um die Vielen zu bemühen, die, wenn auch unbewusst, geführt und geweidet zu werden begehrten. Indem sie dem Herrn vertrauten, war ihnen ihre persönliche Schwachheit, die sie wohl fühlten, kein Hindernis. In ihrer Mitte herrschte wahre Bruderliebe. Keiner suchte der Erste zu sein, sondern einer achtete den anderen höher als sich selbst. Dienende Liebe war die Losung, selbst bis in die kleinsten Dinge hinein. Schulter an Schulter arbeitete man unter Gläubigen und Ungläubigen.

In dem Sendschreiben an Philadelphia (Bruderliebe) in Offenbarung 3 ist von einer kleinen Kraft die Rede, aber auch von großer Treue. Wir hören, dass hier das Wort des Herrn bewahrt und Sein Name nicht verleugnet wurde. Aus diesen beiden Gründen (Schwachheit und Treue) stellte der Herr Sich jener Versammlung als der Heilige und Wahrhaftige vor und als der, welcher ihr eine geöffnete  Tür gegeben hatte, die niemand  zu schließen vermochte.

Man darf wohl sagen, dass die oben genannten Brüder von dem Geist von Philadelphia beseelt waren. Sich ihrer Schwachheit durchaus bewusst, fühlten sie ihre Verantwortung, Wort und Namen des Herrn festzuhalten. Die Kraft dazu fanden sie in dem Heiligen und Wahrhaftigen. Indem sie sich nun absonderten von allen, die verkehrte Dinge lehrten, und von den Ungläubigen sowie sich fernhielten von dem Geist der Welt (auch der christlichen Welt, die wohl eine Form der Gottseligkeit hat, deren Kraft aber verleugnet), konnte ihr Herr und Meister sie bereiten und verwenden für jedes gute Werk (vgl. 2. Tim 2,16-3,15). Der Gegenstand ihrer Herzen war Christus.  Von Ihm legten sie Zeugnis ab vor Sündern wie vor Kindern Gottes. Und allen legten sie ans Herz,  wahre Nachfolger Jesu zu werden in allem.

Allezeit überströmend in dem Werk des Herrn und überzeugt, dass ihre Arbeit nicht vergeblich sein würde, verkündigten sie überall das Evangelium und suchten der Wahrheit durch Wort und Schrift Eingang zu verschaffen. Sie waren dabei von dem Bewusstsein durchdrungen, dass „dies gut und angenehm ist vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim 2,3.4). Ein schönes Begehren war vorhanden, den anderen mitzuteilen von dem, was der Herr einem selbst gegeben hatte.

Die, welche weiter gefördert, und die, welche reich waren, stellten sich mit allem, was sie hatten, Erkenntnis und Besitztum, dem Werk des Herrn zur Verfügung. Da sie den Schrecken des Herrn - das schreckliche Gericht - kannten, überredeten sie die Menschen, dem kommenden Zorn zu entfliehen. Innerlich bewegt und von der Liebe des Christus gedrängt, predigten sie den, der für alle gestorben ist, auf dass die, welche leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt worden (2. Kor 5,11-15).

J.N.V.


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